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Musik, Arbeit, Freizeit - Es weihnachtet ein bisschen, der Langeweile ins Auge blicken, neue Menschen kennenlernen.

Da es mittlerweile schon wieder etwas länger her ist, dass ich den letzten Bericht verfasst habe, habe ich mich gerade umentschieden und werde mir keinen Film angucken, sondern euch auf den neuesten Stand bringen.
2012-11-28_Voluntariat Melina 01
Datum:
28. Nov. 2012
Von:
Melina Berka

Musik: Clare und ich üben fleißig weiter. Gestern haben wir die Weihnachtszeit musikalisch eingeläutet. Mein Cello schäle ich auch immer öfter aus dem Koffer. Denn: Ich bin stolzes neues Mitglied im PMFO, dem Porsgrund Musikforenings Orkester! Ich hatte auf der Homepage der Kommune nach Orchestern gesucht und bin auf dieses gestoßen. Die haben eine Homepage, auf der steht: Vi trenger flere musikere av alle slag i alle aldre som har interesse og lyst til å være med på denne utviklingen. Sehr einladend! Ich habe mich dann mit dem Verantwortlichen in Verbindung gesetzt und der war begeistert. Vor vier Wochen war ich dann das erste Mal dort. Diesen Moment werde ich nicht vergessen! Das Orchester übt im Musikraum der Grønli skole. Also hab ich mich mit dem gammel bil (hat übrigens die perfekte Cellogröße) auf den Weg gemacht.

18:15 Uhr - Ich betrete den Musikraum. Direkt rechts in der Ecke neben der Tür sitzt ein alter Mann, grob geschätzt um die neunzig. Der Geigenkasten liegt geöffnet auf dem Tisch und er poliert mit Hingabe sein Instrument. In der anderen Ecke des Raumes stehen drei Männer, der eine kommt auf mich zu, stellt sich als der Dirigent Yngvar vor und heißt mich willkommen.

Kurz darauf erblickt mich der Kontrabassist. "Was seh ich da? Eine Cellisitin!", ruft er, kommt mir mit offenen Armen entgegen und umarmt mich so fest und herzlich, dass meine Brille hinterher schief auf der Nase hing. Zur Erläuterung: Bisher hatte das Orchester kein festes Cello, das heißt die Bassgruppe bestand einzig und allein aus ihm, stakkars.

Nach und nach trudelten dann die anderen Musikanten ein und ich wurde herzlich aufgenommen. "Wenn du Probleme hast oder irgendwas ist, kannst du immer zu uns kommen!", wurde mir von einigen versichert. Bevor es dann richtig losging, wurde ich vom Dirigenten nochmal richtig vorgestellt, wie ich heiße, wo ich herkomme, was ich hier mache. Sein zweiter Satz war: "Die Hauptaufgabe für alle Mitglieder ist jetzt, einen netten Norweger zu finden, damit sie hier bleibt und weiterhin bei uns mitspielt."

Morgen haben wir wieder Probe und ich freue mich jetzt schon tierisch darauf! Die Menschen sind unglaublich nett und lustig und es ist gut, Musik mit ihnen zu machen. Eine unglaublich lockere, nette Atmosphäre. In der Pause gibt's natürlich immer Kaffee und Kuchen (typisch norwegisch) und außerdem gibt es jede Woche per lodd-Ziehung (auch typisch norwegisch) eine Flasche Wein zu gewinnen. Skål!

Hier passt dieser Spruch mal wieder wie die Faust auf's Auge: Wo man singt, da lass dich nieder, böse Menschen kennen keine Lieder.

Arbeit: Tja, um ehrlich zu sein, ist die Arbeit nicht sehr erfüllend. Im Großen und Ganzen bin ich eigentlich nur da, um Brownies und Waffeln zu backen, Essen zu verkaufen und hinterher aufzuräumen (die Formulierung ist vielleicht ein bisschen zu extrem, aber ich lass es einfach mal so stehen). Klar, es ist schön, sich mit den Alten zu unterhalten und es ist schön, wenn man nach einiger Zeit die Namen der Kinder kann und einzelne Gesichter besser kennt, aber im Grunde ist das langweilig. Es ist eben jede Woche das Gleiche. Zumindest mittwochs hier in Herøya. Donnerstags in Moflata sind wenigstens noch Tamar und Hermes dabei, da ist es alles ein bisschen spaßiger. Freitags beim Jugendclub ist es noch eingermaßen okay. Wir haben jede Woche was anderes vor, mal Filmabend, Mädelsabend, Disco, Spieleabend, verschiedenes. Dann zieht es sich aber auch immer, weil erst um 23 Uhr Schluss ist. Und vorher, also ab halb 6, sind die Konfirmanden dran. Naja, und dienstags machen wir halt das, was gerade so anfällt. Letzte Woche haben wir die ganze Garage ausgemistet. Da hatte sich Sperrmüll aus den vergangenen 30 Jahren angesammelt. Ganze 3 Mal mussten wir mit vollgeladenem Anhänger zum Schrottplatz fahren. Und gestern ist dann so richtig die Vorweihnachtszeit eingeläutet worden. Die Kirche ist mittlerweile, nach norwegischer Manier, geschmückt. Lichterketten, Krippe, Plastikweihnachtsbaum. Und außerdem steht vor der Kirche eine große Tanne, die wir ins Weihnachtsgewand geworfen haben. Erst hat Gordon die Tanne hier und da ein bisschen abgesägt, weil er einen "Walt Disney christmas tree" haben wollte. Dann kamen riesige gelbe und rote Kugeln, CDs, und Lichterketten dran. Jetzt sieht der Baum wie ein Walt Disney christmas tree nach verunglückter Operation aus. Ich halte fest: Es ist noch nicht Dezember und ich habe einen Weihnachtsbaum geschmückt!

Freizeit: Ja, hab ich. Und nutze ich auch. Vor eineinhalb Wochen war die Inga aus Deutschland zu Besuch. Sie war vor zwei Jahren hier Freiwillige. Wir hatten eine tolle Woche, Inga ist wirklich sehr koselig. Samstag waren wir zusammen bei Maria, einer Freundin von ihr, frühstücken. Und bei ihr war ich auch vergangenen Samstag zum spillekveld. Stine, die verantwortlich ist für etter skoletid in Moflata, war auch da und außerdem viele neue Gesichter, die zu vielen netten Menschen gehören. Alles in allem war es also ganz schön koselig (übrigens ein Wort, dass andauernd benutzt wird, aber nicht ins Deutsche übersetzbar ist).

Mit dem Häkeln geht's auch voran. Ich habe mittlerweile meine erste Socke fertiggestellt, im Moment arbeite ich an der zweiten. Da freut man sich, wenn man eine geschafft hat und dann muss man, gezwungenermaßen, noch eine machen, anstatt schon mit dem nächsten Projekt beginnen zu können. Ganz schön ärgerlich! Und mittlerweile habe ich auch alle Tatort Münster Folgen zweifach gesehen...

Ich glaube, das war's erstmal für heute. Nee, das war's auf jeden Fall für heute. Es gibt noch viel mehr zu schreiben, aber das muss jetzt genügen. Ich werde wahrscheinlich anfangen, mir Notizen darüber zu machen, was ich euch unbedingt mitteilen muss, damit ich nicht immer die Hälfte vergesse oder mir noch was einfällt, wenn ich gerade auf "speichern" gedrückt habe.

PS: Allerletzte Anmerkung: Mir geht es gut und ich bin glücklich, hier zu sein.

PPS: Wusste ich's doch! Beim Schreiben des PSes ist mir noch was eingefallen...

Sprache: Ja, jetzt kann ich endlich behaupten: Ich spreche Norwegisch! Mittlerweile ist "CD-Player" das englischste, was mir im Beisein von Norwegern über die Lippen kommt.