Zum Inhalt springen

Stille ist für mich wie Stehen in einem Sturm. (12. Sonntag im Jahreskreis 2003)

Datum:
22. Juni 2003
Von:
Heinz Büsching

Unsere Zeit ist laut. Der Lärm ist allgegenwärtig. Straßenlärm, Flugzeuglärm, Baulärm; Berieselung im Supermarkt, Radio in der Küche; der Fernseher trägt zum Geräuschpegel bei; die Stereoanlage tut das ihre; und für die Lücken gibt es ja auch noch den Walkman. Unsere Zeit ist laut. Der Lärm ist allgegenwärtig.

Eine der Folgen ist, dass es eine große Sehnsucht nach Stille gibt; aber eine andere, das wir sie nicht mehr ertragen können. Wir spüren, dass Stille uns guttun würde; aber wir halten sie nicht aus. Die Stille wird gepriesen, aber nicht wirklich aufgesucht.

Wie kommen Sie mit der Stille im Gottesdienst zurecht?

Wir haben dreimal eine kleine Stille: zu Beginn, nach meiner Besinnungsfrage; dann: nach der Predigt; und schließlich, drittens, nach der Kommunion. Immer sitzt mir die Sorge im Nacken, ob ich die Stille auch richtig bemesse. Gerät die Stille zu lang, werden einige kribbelig. Ist sie zu kurz, kommt man nicht so richtig zum Nachdenken.

Ich habe in mehreren Messdienergruppen eine Umfrage zur Stille im Gottesdienst gemacht. Die Messdiener fanden unsere Stille im Großen und Ganzen gerade richtig. Aber einige sagten auch: es hängt von meiner inneren Verfassung ab, ob ich die Stille als quälend erlebe oder als wohltuend. Die Bereitschaft, auf meine Anregungen zur Stille einzugehen, war für mich überraschend hoch. Das Gespür für die Wichtigkeit der Stille war insgesamt sehr deutlich.

Unter den Angeboten, die ich in meinem Fragebogen gemacht hatte, war auch der Satz: In der Stille kommen mir Gedanken, die nicht in die Messe gehören. Viele Messdiener haben das angekreuzt.

Hätten Sie das auch getan?

Aber welche Gedanken gehören denn nicht in die heilige Messe? Unser ganzes Leben gehört in die heilige Messe, unser Leben mit allen Alltäglichkeiten und Banalitäten. Wir wollen doch in der heiligen Messe unser Leben vor Gott bringen. Aber dann muss dieses Leben auch in die Messe reinkommen, und die Stille ist dafür eine gute Eingangstür.

Es gibt für mich einen besonderen Anlass, das Thema Stille heute aufzugreifen. Am Samstag ist bei uns der Tag des Ewigen Gebetes. In den Gebetsstunden wird viel Stille sein. Zwar werden die meisten Gebetsstunden thematisch gestaltet – für die Verstorbenen, für die Kranken, um Frieden, für die Mission, für die Pfarrgemeinde – aber in allen Gebetsstunden wird auch viel Stille vorkommen.

Mein Anliegen jetzt ist es, Ihre Sehnsucht nach Stille aufzuwecken. Ich möchte Ihnen den Gedanken nahebringen, dass die Stille im Bewusstsein der Gegenwart Gottes eine erfüllte, eine tragende, eine anregende Stille ist. Ich möchte Sie ermutigen, die Stille zu wagen.

Die Messdiener haben zum Thema Stille eine Metaphermeditation gemacht. Dabei geht es darum, eine innere Erfahrung in einem Bild auszudrücken. Den Messdienern sind hilfreiche Bilder eingefallen. Ich zitiere zuerst einige, die das Kritische ins Bild bringen:

Stille im Gottesdienst ist für mich wie festgehalten werden im Stau, der Gang durch ein Labyrinth, ein inneres Erdbeben, ein Stehen in einer engen Schlucht, in der die Wände einzustürzen drohen, der Fall in einen tiefen Brunnen. Die jungen Leute, die solche Bilder fanden, sind sich nicht selbst ausgewichen. Sie haben ihr Leben in die Stille reingelassen. Sie haben sich ihrem Leben gestellt. Kompliment.

Aber jetzt kommt eine ganz andere Serie. Die jungen Leute, zum Teil dieselben wie oben, sagten: Stille im Gottesdienst ist für mich wie Schwimmen im Meer, der Gleitflug eines Adlers, Schweben in Schwerelosigkeit, Spazierengehen in einem schönen Garten, Liegen in der Sonne. Einer der Bildvergleiche erinnert mich an das heutige Evangelium. Er lautet: Stille ist für mich wie Stehen in einem Sturm.

Vielleicht geht es manchem so: Wenn äußerlich Stille eintritt, bricht im Innern ein Sturm los. Stehen im Sturm heißt: Standhalten! Mich dem, was mit mir los ist, stellen! Vielleicht geht es dann ja so weiter wie im heutigen Evangelium: dass Jesus den Sturm in mir zur Ruhe bringt. Ein bisschen psychologisch formuliert: dass er mir hilft, ein verdrängtes Problem mutig anzugehen. Oder besser: dass seine Gegenwart mich erfüllt mit Ruhe und neuem Vertrauen.

Unsere Zeit ist laut. Der Lärm ist allgegenwärtig. Ich lade Sie ein, sich am Samstag hier in die Stille zu wagen – so viel oder so wenig, wie Sie sich zutrauen. Trauen Sie sich etwas zu! Eine ganz kleine Stille kommt schon jetzt. Hören Sie in die Stille hinein. Und – je nachdem – halten Sie dem Sturm stand!