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Sind Sie verliebt? ... (6. Sonntag der Osterzeit 2002)

Datum:
5. Mai 2002
Von:
Heinz Büsching

Ich lade Sie ein, in der Stille einen Augenblick nach innen zu schauen, auf das inwendige Leben. Manches wird gut entfaltet sein, manches in Ihnen wird grünen und blühen. Anderes liegt vielleicht brach, ist in der letzten Zeit zu kurz gekommen. Was in mir ist lebendig da, was in mir müsste zum Grünen und Blühen kommen?

Du bist die Kraft unseres Lebens.

Herr erbarme dich.

Du bist unsere Sonne.

Christus erbarme dich.

Du hilfst, dass unser Leben Frucht bringt.

Herr erbarme dich.

Gott unser Vater, du hast uns durch deinen Sohn erlöst. Und wir sind die Kinder, die du liebst. Lass uns die Sonne deiner Güte spüren. Schenk uns die wahre Freiheit und das ewige Erbe. Darum bitten wir dich, der du unser Leben bist, jetzt und in Ewigkeit.

Sind Sie verliebt?

Der Mai ist gekommen, und am Mai muss etwas dran sein, das Verliebtsein auslöst. Dem Mai muss ein Zauber innewohnen, der auch alte Liebe neu in Schwung bringen kann. Der Mai hat etwas mit Verliebtsein zu tun.

Warum erzählen unsere Mailieder unermüdlich von der Liebe? Warum leben die alten Maibräuche von der Anspielung aufs Verliebtsein? Warum heiraten junge Leute so gern im Mai? In den Mailiedern ist viel vom Grünen und Blühen die Rede. Aber das Schönste, das grünt und blüht, ist die Liebe.

Und jetzt feiern wir hier den Gottesdienst. Was mag Sie bewogen haben, heute Morgen hierhin zum Gottesdienst zu kommen? Ob das auch etwas mit Liebe zu tun hat? Oder sogar mit Verliebtsein? Oder ist der Gottesdienst nur eine Pflichtübung?

Als ich eben vom Verliebtsein im Gottesdienst sprach, dachte ich nicht daran, dass jemand zwischendurch heimlich seiner Herzallerliebsten neben sich auf den Fuß tritt – obwohl das auch etwas Schönes ist – aber ich dachte zuerst mal an das Verliebtsein in Gott.

Ja, gibt es das denn auch, in Gott verliebt sein? Im heutigen Evangelium heißt es: Wer mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.

Was ist das Wichtigste am Christsein?

Das Wichtigste ist: das Geliebtwerden und das Selber-Lieben. Auf die Frage nach dem Hauptgebot sagt Jesus: du sollst den Herrn deinen Gott lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit all deinem Denken, mit all deiner Kraft. Dies ist das größte und erste Gebot.

Gott lieben, darum geht es. Die positive Ausstrahlung auf die andern, die guten Konsequenzen für die Beziehung zum Nächsten, die Nächstenliebe – das sind dann die Lichtstrahlen, die aus der Sonne der Liebe kommen. Gott lieben. Alles Aufsprießen und Neuwerden von Liebe heißt in unserem Jargon: sich verlieben.

Sind Sie verliebt – habe ich am Anfang gefragt. Jetzt frage ich weiter: Sind Sie in Gott verliebt? Oder vorsichtiger: Kennen Sie das Verliebtsein in Gott? Kennen Sie das Um-der-Liebe-zu-Gott-willen "ein bisschen verrückt sein", so wie Verliebte immer ein bisschen verrückt wirken und manches am Christsein auf andere schon mal ein bisschen verrückt wirken mag.

Gott sei es geklagt, dass unsere Gottesdienste oft so wenig Liebe spüren lassen, wie lieblos wir die Gebete herunterrasseln, dass wir die Lieder singen, als würde ein Pferd begraben, und die Predigt manchmal so langweilig ist, dass man dabei einschläft. Vielleicht fährt ja auch unserem Gottesdienst der Mai in die Glieder, dass unser Beten zärtlich wird wie Liebessprache, dass unsere Lieder anfangen zu schwingen und ein bisschen mehr davon rüberkommt, wie sehr Gott in uns verliebt ist.

Aus eigenen Reserven werden wir dies nicht schaffen. Ich glaube daran, dass alle Liebe und alles Verliebtsein aus dem Grundwasser der göttlichen Liebe stammt, und alles davon abhängt, wie gut wir mit diesem Grundwasser aller Liebe verbunden sind.

Wenn unsere Verbundenheit mit Gott immer etwas mit Liebe zu tun hat, dann gilt auch, dass zur Liebe immer zwei gehören. Gott hat mit der Liebe angefangen. Er hat längst angefangen. Er gibt Zeichen der Liebe wie ein Verliebter, in Anspielungen, in Andeutungen, in feinen Signalen, in leisem Werben, in unscheinbaren Gesten. Manchmal tritt er uns heimlich auf den Fuß.

Wenn es stimmt, dass der Mai wach und hellhörig macht für die Zeichen der Liebe, dann könnten wir ja jetzt einmal still in die letzten Tage hineinhören. Wo habe ich ganz fein Gottes Liebe gespürt. Wo hat er mir heimlich auf den Fuß getreten?