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Predigt zu Fronleichnam 2022

Fronleichnam, liebe Christen, ist der Tag des Brotes, aber nicht irgendeines Brotes, sondern jenes Brotes, über das Jesus sagt: Das ist mein Leib. Dieses Brot will für immer den Hunger der Welt stillen. Und ich bin sicher, dass wir Hunger haben, Sehnsucht nach einer besseren Welt, nach mehr Gerechtigkeit und Frieden, nach weniger sorgenvollen Zeiten. Ich hoffe, dass etwas von diesem Hunger uns noch immer umtreibt, weil nur so die Welt etwas besser werden kann. Natürlich hungern viele Menschen nicht und die meisten werden auch über die Runden kommen, aber wir brauchen doch die Sehnsucht nach mehr. Mehr glückliche Menschen, mehr Frieden, mehr Klimaschutz, weniger Hunger für alle.
Datum:
16. Juni 2022
Von:
cj

Dieses Brot, in dem Jesus uns begegnen will, ist deshalb ein Appell an uns alle. Gebt euch nicht mit eurer Mittelmäßigkeit zufrieden! Macht die Erde zu einem besseren Ort! Habt Visionen, habt Träume! Gebt euch und die Welt nicht auf!

So ist das Abendmahl, das Jesus am Abend vor seinem Tod mit seinen Jüngern gefeiert hat, eine Art Finale seines Wirkens auf Erden, unmittelbar bevor er sich in die Hände seiner Gegner begibt, die ihn kreuzigen werden. 

Das unterstreicht er auch, in dem er sagt: Denkt an meine Worte! Tut dies zu meinem Gedächtnis!

Auch die Kirche hat zu lange nur auf das Jenseits vertröstet. Im Himmelreich wird alles besser. Und mit dieser Ausrede lässt es sich hier auch für Kirchenmenschen mittelmäßig gut leben. Ohne Träume und ohne Visionen.

Und in der aktuellen Kirchenkrise werden Träume und Visionen noch seltener. Wo spüren wir denn noch einen Aufbruch in der Kirche?

Wenn wir den Leib Christi durch unsere Straßen tragen, spricht Jesus durch das Brot des Lebens direkt zu uns. Er sagt: Ich bin immer noch bei euch, und ich glaube auch immer noch an euch. Und auch wenn mein Königreich nicht von dieser Welt ist, will ich da sein, um diese Welt zu einem besseren Ort zu machen, zu einer Welt, die dem Himmelreich immer ähnlicher wird.

Lösungen liegen scheinbar auf der Hand. In den Kommentarspalten im Internet, in Kommentaren und Leserbriefen der Zeitungen, in den Reden politischer Kabarettisten. 

Die Politik muss sich ändern.

Die Kirche muss sich ändern.

Europa muss sich ändern.

Eigentlich muss sich alles ändern.

Jesus würde sich diese vielen Ideen, die Tag für Tag auf uns einwirken, vermutlich sehr gelassen anhören und uns einen ganz einfachen, kurzen Satz mit auf den Weg geben.

Du musst dich ändern.

Nicht die Politik, die Kirche, die Welt.

Sondern du.

Wenn du dich änderst, dann ändert sich auch die Politik, die Kirche, die Welt.

Ich hätte da ein paar Änderungsvorschläge, die für jeden Einzelnen gelten, aber auch für unsere Kirche, die Bischöfe, die Kurie.

 

Erstens: Nimm dich nicht so wichtig. 

Als Christen, vor allem als Menschen, die eine frohe Botschaft in die Welt tragen wollen, haben wir nur eine Aufgabe, nämlich die des Täufers Johannes: Auf Christus zu zeigen. Er ist der Herr. Ich tue nur meine Pflicht, ich bin nur ein einfacher Mensch mit Fehlern und Schwächen.

Zweitens: Misch dich nicht in die Lebensentwürfe der anderen ein. Schau lieber in den Spiegel.

Wir gehören einer Kirche an, in der Jahrzehnte, wahrscheinlich Jahrhunderte lang Menschen, vor allem Kinder, missbraucht worden sind. Und dieser Missbrauch wurde von oberster Stelle gedeckt. Täter wurden nicht bestraft, die Gewalt ging weiter.

Da wage ich einfach nicht, Menschen als Sünder zu bezeichnen, weil sie nicht den Vorstellungen der alten Kirche entsprechen. Ich bin doch selber doch Teil einer zutiefst sündigen Kirche. 

Es kann nicht Aufgabe der Kirche sein, Menschen vorzuschreiben, wie sie zu leben haben. Denn das hatten sich die Pharisäer, Schriftgelehrten und Hohenpriester damals vor zweitausend Jahren auf die Fahne geschrieben und am Ende den Kardinalfehler gemacht, den einzigen Menschen ans Kreuz zu schlagen, der wirklich ohne Sünde war.

Auch zu diesem Thema bleibt uns nur, auf Christus zu zeigen. Er predigt Nächstenliebe. Er heilt. Er schenkt uns Brot, das ewig satt macht. 

Drittens: Tritt nicht aus der Kirche aus. 

Ich bin dir nicht böse, wenn du sagst, du kannst nicht mehr anders, aber bitte, lass uns, denen Kirche immer noch heilig und wichtig ist, nicht allein. 

Ich lasse mir jeden Austritt einzeln vorlegen und abgesehen davon, dass die reine Zahl mir schon den Boden unter den Füßen wegzieht, schmerzt es mich auch oft, wenn ich sehe, wer alles ausgetreten ist. Ich sage es nicht weiter, aber ich weiß ganz gut, wer gegangen ist. Und von manch einem hätte ich es niemals für möglich gehalten.

Ganz sicher ist aber: Jene Menschen, die sich nicht als Diener, sondern als Mächtige ansehen, und viele, die mit dem Finger gerne auf andere zeigen, Menschen, die Autorität lieben und Nächstenliebe nur auf bestimmte Menschen und nicht auf alle beziehen, und viele, die das zweite vatikanische Konzil immer noch als großen Fehler der Kirche ansehen und am liebsten die Zeit zurückdrehen wollen, die bleiben in der Kirche drin.

Und die gewinnen an Macht, wenn die anderen sich zurückziehen.

Lasst mich nicht allein! Lasst uns nicht allein. 

 

Kirche braucht Kritik. Sie braucht Aggiornamento. Kirche braucht die Welt, so wie die Welt Kirche braucht. 

Als große, alte und ehrwürdige Institution, in der der Geist Gottes spürbar weht und jeden einzelnen Menschen verändern will. Selbst jene, die irrtümlich von sich glauben, sie seien besser als andere, weil sie möglicherweise nicht unter einer zerbrochenen Beziehung leiden, oder weil sie heterosexuell sind, oder weil sie den Katechismus auswendig gelernt haben, oder weil sie keinen Migrationshintergrund haben. 

Hier sind alle eingeladen, alle sind willkommen. Zu Messe und Gebet, zur Prozession und zum Fest. Wir schließen niemanden aus. Es ist nicht unsere Aufgabe, zu definieren, wer dazu gehört und wer nicht. Das ist das großartige Zeichen an einer Prozession. Wir gehen mit Christus, und wer mit ihm geht, ist auf dem richtigen Weg. 

Deshalb lade ich heute ganz bewusst alle dazu ein, Christus zu folgen und die Eucharistie zu empfangen zum Zeichen dafür, dass wir mit Christus unterwegs sind. Wenn wir nämlich mit ihm auf dem Weg sind, spielt es keine Rolle, ob die erste Ehe gescheitert ist, ob Sie evangelisch getauft wurden oder aus Ärger über das Bodenpersonal aus der Kirche ausgetreten sind. 

Auf Christus zeigen, ihm folgen. Das ist alles, das genügt. 

Amen.