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Predigt am 4. Sonntag im Jahreskreis C

Datum:
30. Jan. 2022
Von:
cj

Liebe Christen,

brennende Fragen dieser Zeit schreien nach Antworten. 

Wie sollen wir miteinander umgehen in dieser schwierigen Phase der Pandemie?

Wie kann es mit der Kirche weitergehen angesichts dieses dramatischen, vielfach selbst verschuldeten Vertrauensverlustes?

Und: Was können wir tun?

 

Eine Antwort gibt der erste Korintherbrief.

Eine beliebte und anerkannte Antwort, die viele Paare sich als Schrifttext bei ihrer Trauung wünschen. Eine starke Antwort.

Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, dann wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.

 

Und am Ende des Textes:

Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe,  

diese drei. 

Doch am größten unter ihnen ist die Liebe.

Wir müssen also alles, was wir reden und tun, an der Liebe messen.

Geschieht das, was durch uns geschieht, in Liebe?

 

Wir als Christen, als Kirche Jesu Christi müssen uns immer wieder fragen: Handeln wir aus Liebe?

Vielleicht ist das größte Problem, die größte Krankheit unserer Zeit die Lieblosigkeit.

Nicht alles, was der Gesundheitsminister sagt und tut, trifft auf meine uneingeschränkte Zustimmung. Aber dass er mitten in unserem zivilisierten Land Personenschutz braucht, ist ein Skandal.

Wenn mitten in Europa ein Krieg vorbereitet wird, macht mich das fassungslos. Warum nimmt man Not, Tod und Elend vieler Menschen in Kauf, nur weil man meint, man könne nicht mehr miteinander reden? Krieg ist immer der Sieg der Lieblosigkeit, die Kapitulation der Menschlichkeit.

 

Genauso ist es ein Skandal, wenn Menschen auf der Flucht ertrinken, weil die Boote von Hilfsorganisationen nicht aus europäischen Häfen auslaufen dürfen. Menschen ertrinken, weil uns die Liebe fehlt. 

Liebe leben ist eine Herausforderung. Mit Gefühlsduselei oder Kitsch hat sie nichts zu tun. 

Jesus erlebt am eigenen Leib, was es heißt, wenn die Stimmung umschlägt, weil er vehement Nächstenliebe einfordert. Sein Tod am Kreuz geschieht, weil er Nächstenliebe kompromisslos lebt. 

Paulus beschreibt in der heutigen Lesung außerordentlich gut, was die Liebe an jeden Menschen, der liebt, für Herausforderungen stellt.

Vor allem aber macht Liebe angreifbar. Ich gebe etwas, was andere stärkt und aufbaut, ohne peinlich genau darauf zu achten, ob mir dieses Handeln in Liebe selber nützt oder vielleicht sogar schaden kann. 

 

Ich verstehe nicht, warum es vielen Kirchenvertretern heute so schwer fällt, aus Liebe und Verständnis zu handeln, zu reden, zu leben. 

Ich bin davon überzeugt, dass Sexualität und Nächstenliebe keine Gegensätze sind. Im Idealfall können sie sich ergänzen und bereichern. Deshalb unterstütze ich die Initiative Out-in-Church, bei der sich 125 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der katholischen Kirche als nicht heterosexuell geoutet haben, von Herzen.

 

Nächstenliebe und sexuelle Gewalt sind aber Gegensätze, genauso wie Nächstenliebe und Machtmissbrauch gegensätzlicher kaum sein können. 

Sexuelle Gewalt wurde von erschreckend vielen Priestern und anderen kirchlichen Mitarbeitern ausgeübt, viele Opfer leiden bis heute daran. Täter zu schützen, damit die heilige Kirche keinen Schaden nimmt, ist Machtmissbrauch und widerspricht damit der Liebe, die Paulus heute in der Lesung einfordert, und auch dem Kirchenbild, das Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Evangelii Gaudium“ beschreibt. 

 

Liebe macht angreifbar und verletzlich. 

Das gilt auch für eine Kirche, die aus Liebe und Verständnis handelt. 

 

Die Kirche kann das. 

Nur leider scheinen viele gute Erkenntnisse und Taten der Kirche sich nicht ausreichend in ihr Selbstverständnis, in das Gedächtnis der Kirche eingebrannt zu haben, dass sie Ziel eines guten Handelns aus Liebe werden können.

 

Ich nenne gerne einmal drei Beispiele dafür, dass Kirche das Richtige tat in der Hoffnung, dass solche Worte und Taten das Liebeshandeln der Kirche in Zukunft auch wieder prägen.

 

Josef Kardinal Frings, Erzbischof von Köln, hatte um der Liebe zu den armen Menschen in der schlimmen Nachkriegszeit den Mut, das siebte der zehn Gebote unter bestimmten Umständen außer Kraft zu setzen, weil er die Not sah, in der die Menschen lebten. Und so sagte er in seiner berühmten Predigt an Silvester 1946 den Satz:

„Wir leben in Zeiten, da in der Not auch der Einzelne das wird nehmen dürfen, was er zur Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit notwendig hat, wenn er es auf andere Weise, durch seine Arbeit oder durch Bitten, nicht erlangen kann.“

Das Fringsen war erfunden, weil der Kardinal erkannte, dass ein Leben der Menschen in Würde und Gesundheit wichtiger ist als Prinzipien, die zwar meistens gelten, aber eben nicht immer. 

 

Das zweite Beispiel stammt von Papst Paul VI, der das zweite vatikanische Konzil zu Ende führte und im Epilog schrieb:

„Von diesem römisch-katholischen Zentrum aus ist grundsätzlich niemand unerreichbar; alle können und müssen erreicht werden. Für die katholische Kirche ist niemand fremd, ausgeschlossen oder fern. Diesen Unseren universellen Gruß richten Wir auch an euch Menschen, die ihr uns nicht kennt; nicht versteht, nicht als nützlich, notwendig oder als Freunde erachtet.“ 

Damit fordert der Papst im Sinne des Konzils eine Offenheit von der Kirche, die wie die Liebe verletzbar macht. Kirche darf niemanden ausgrenzen. Das stellte Paul VI. vor 57 Jahren bereits unmissverständlich fest, und es ist mir erschreckend unverständlich, wie viele Menschen sich bis heute von der Kirche unerreicht und ausgeschlossen fühlen – und dass die Zahl dieser Menschen immer weiter wächst statt schrumpft. Hier bewegt sich die Kirche doch ganz offensichtlich in die falsche Richtung, vielleicht, weil ihr die Liebe fehlt.

 

Und das dritte Manifest finde ich in der ersten Enzyklika von Papst Franziskus, Evangelii Gaudium. Als es veröffentlicht wurde, haben viele es zitiert, inzwischen scheint es die Richtung, in die unsere Kirche geht, nicht mehr sehr zu prägen. Da schreibt Franziskus vor gut acht Jahren: 

Mir ist eine verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist. 

Ich will keine Kirche, die darum besorgt ist, der Mittelpunkt zu sein, und schließlich in einer Anhäufung von fixen Ideen und Streitigkeiten verstrickt ist.

Gute Ansätze sind das, und sie entsprechen voll und ganz der heiligen Schrift, die Fundament der Kirche ist. 

 

Es wird Zeit, dass das, was wir als Kirche leben und tun, daran gemessen wird.

 

Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe,  

diese drei. 

Doch am größten unter ihnen ist die Liebe.

 

Amen.