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Gott spricht aus einer Wolke (Zweiter Fastensonntag 2003)

Datum:
16. März 2003
Von:
Heinz Büsching

Ich freue mich, wenn die Sonne scheint. Ich bin nicht der einzige, der sich freut. Der blaue Himmel, die strahlende Sonne – das tut uns allen gut. Ich kann gut verstehen, dass in alter Zeit viele Völker die Sonne als einen freundlichen Gott verehrt haben.

Haben Sie eben beim Evangelium gut aufgepasst? Dann ist Ihnen sicher aufgefallen, dass Gott aus einer Wolke spricht. Die Stimme Gottes kam nicht aus der Sonne, sondern aus der Wolke. Die Stimme Gottes kam nicht vom blauen Himmel, sondern aus der Wolke. Auch bei der Taufe Jesu im Jordan war die Wolke das Zeichen der göttlichen Gegenwart. Und schon in der Frühzeit, als das Volk Israel noch in der Wüste war, geschah durch die Wolke göttliche Führung. Gewiss, Gott war dem Volk in vielen Zeichen nah, aber die Führung durch die Wüste geschah im Zeichen der Wolke.

Nun mögen im heißen und trockenen Orient die Wolken beliebter sein als bei uns. Sie spenden Schatten und verheißen den bitter nötigen Regen. Aber auch im Orient können die Wolken die Vorboten des Sturmes sein und die Zeichen des Unwetters. Auch im heutigen so hellen Evangelium werden die Jünger von der Wolke überschattet. Sie fallen zu Boden, nicht nur aus Ehrfurcht, sondern auch vor Schrecken, so dass Jesus sagen muss: Habt keine Angst.

Ich möchte das auf unser alltägliches Leben übertragen. Wir sollten uns fragen, ob wir dieses Evangelium nicht irgendwo in unserem Leben wiederfinden.

In unserem Leben ist nicht immer blauer Himmel. In unserem Leben scheint nicht immer die Sonne. In unserem Leben gibt es auch die Wolken. Oft sind es viele Wolken, Sorgen, Probleme, Zweifel, Ängste. Solche Wolken können stören und ärgern – und auch schnell wieder dahinziehen. Aber manchmal ist es eine ganz bestimmte Wolke, die uns überschattet und unter der wir zu Boden fallen. Dabei haben wir absolut nicht das Gefühl, dass Gott uns durch diese Wolke gnädig sein will. Wir fallen ja auf den Bauch und gucken nach unten. Wenn wir dabei überhaupt an Gott denken, dann denken wir, dass er uns vergessen hat oder uns nicht leiden kann.

Dass Gott mir durch die Wolke, die er über mich kommen lässt, liebevoll zusprechen will, auf die Idee muss ich erst gebracht werden. Dass Gott durch die Wolke, die ihren Schatten über mich geworfen hat, mich liebevoll führen will, das werde ich im ersten Schreck gewiss nicht merken. Aber genau das will uns dieses Evangelium sagen. Es sagt: Du unter der Wolke, hab keine Angst. Ich, dein Gott, bin da. Ich, dein Gott, bin bei dir. Da spricht uns Gott nicht aus der Sonne, sondern aus der Sorge an. Meistens geht uns das erst hinterher auf. Oft können wir erst viel später sagen: "Diese dunkle Erfahrung war gut für mich. In dieser Krise war Gott mir ganz nahe."

Auch dieses Evangelium hier ist sehr viel später geschrieben. Es beschreibt etwas, was auf dem Weg nach Jerusalem passiert ist. Längst war auf diesen Weg der Schatten des Kreuzes gefallen. Erst hinterher konnten die Erzähler ermessen, wieviel Kraft ihnen auf dem Weg zugeflossen war. Und erst nach Ostern konnten sie so richtig sehen, dass die Wolke des Leides längst vom blauen Himmel der Liebe Gottes umfangen war.

Ich möchte keine Sorge verniedlichen. Und ich kann keine Wolke auflösen. Ich will diesem Evangelium glauben. Da spüren die Jünger Gottes Nähe zunächst mal im schönen Wetter. Sie erleben sein Wirken in Helle, in Weiß, in Verklärung. Aber die tiefere Erfahrung Gottes kommt, als sie von der Wolke überschattet werden. Die tiefere Erfahrung ist die Stimme aus der Wolke. Ich erlebe dieses Evangelium als Einladung, in meine Dunkelheiten hineinzuhören.

Hören Sie doch jetzt in der Stille einen Augenblick in Ihre Sorgen hinein. Vielleicht will Gott Ihnen etwas sagen.