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Gott existiert in drei Personen (Dreifaltigkeitssonntag 2003)

Datum:
15. Juni 2003
Von:
Heinz Büsching

Schon als kleines Kind habe ich gelernt, das Kreuzzeichen zu machen und dabei den Namen des dreifaltigen Gottes anzurufen, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Schon als kleines Kind habe ich es gelernt, jeden Tag in diesem Namen zu beginnen. Die meisten Gebete werden so eröffnet. Alle Segensformeln der Kirche gipfeln in der Anrufung des dreieinigen Gottes, alle Sakramente werden in diesem Zeichen gespendet. Und oft habe ich es erlebt, dass Sterbende bei der Anrufung des dreifaltigen Gottes mit einem Mal die Augen aufschlugen und die Hand bewegten, um den Versuch eines Kreuzzeichens zu machen. Der Name des dreifaltigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ist uns eingeprägt, eingeprägt in Leib und Seele.

Das heißt aber noch lange nicht, dass ich damit auch schon gedanklich zurechtkomme. Das heißt noch lange nicht, dass die Wahrheit "Gott existiert in drei Personen" mein praktisches Christsein berührt, jedenfalls nicht auf den ersten Blick.

Noch als Theologiestudent habe ich die Sache mit der Dreifaltigkeit mal eher auf sich beruhen lassen. Die Zahlenspielerei 3 = 1 und 1 = 3 hat mich eher verunsichert, und die Formel:     e  i  n  e     göttliche Natur in drei Personen war mir zu unanschaulich. So habe ich lange Zeit die Lehre von der Dreifaltigkeit mitgeschleppt als ein Geheimnis, das nicht nur absolut über meinen Horizont hinausgeht, sondern auch ohne praktische Bedeutung für mein Leben ist; mitgeschleppt allerdings immer in der Hoffnung, irgendwann einmal einen Zugang zum Sinn dieses Geheimnisses zu finden. Denn alles, was geoffenbart ist, ist ja für uns und zu unserem Heil geoffenbart.

Aber zunächst hat mich die Lehre von der Dreifaltigkeit dann wieder neu belastet. Bei der Beschäftigung mit dem Islam habe ich die Moslems und ihren klaren Monotheismus beneidet und darunter gelitten, dass unser Gespräch mit den Moslems durch die komplizierte und scheinbar so inkonsequente Lehre von der Dreifaltigkeit behindert wird.

Aber dann war da eine Erfahrung in meinem Leben immer stärker geworden, eine Erfahrung, die mit Religion zunächst nichts zu tun hat, die Erfahrung nämlich, wie schrecklich die Einsamkeit ist. Immer wieder stieß ich bei meinen Besuchen auf einsame Menschen, und immer waren sie unglücklich. Zu diesem Unglücklichsein gesellt sich schnell das Hadern und Hartwerden, die bitteren Vorwürfe und die Bitterkeit, die die Güte zerreißt. Irgendwann ging mir auf: Gott von Ewigkeit allein – wenn er der Ewig-Einsame wäre, dann würde ihm etwas Wichtiges fehlen: nämlich Gemeinschaft, glückliche Gemeinschaft, Gemeinschaft, die gütig macht.

Die Vorstellung des Ewig-Einsamen Gottes ist furchterregend; der Zug von Strenge und Härte im Islam wie im Judentum ist mir durchaus plausibel. Wenn Gott wirklich der Vollkommene ist, nicht nur der Allmächtige, sondern auch der ganz und gar Glückliche und die Güte in Person, dann muss es in ihm auch Gemeinschaft geben, ein liebendes Miteinander. Damit ist das Geheimnis der Dreifaltigkeit nicht erklärt, aber die Pluralität in Gott, die Mannigfaltigkeit des Persönlichen, ist mir nicht nur sympathischer, sondern auch einsichtiger als die Vorstellung des Ewig-Einsamen.

Dieser erste Zugang zum Geheimnis der Dreifaltigkeit hat mich auf die Erfahrung verwiesen, auf die praktische Lebenserfahrung, und sie, die Erfahrung, ist mir für den Zugang zum Gottes-Geheimnis immer wichtiger geworden.

Wenn Gott sozusagen nur von außen an uns herangetragen wird, dann berührt uns das wenig. Die Sicherheit des Glaubens muss von innen kommen. Von innen – das heißt: aus innerster Erfahrung. Aber genau das ist die Lehre von der Einwohnung des Heiligen Geistes im Menschen. Das meint Paulus, wenn er sagt, dass Gott in uns ist; wenn er uns daran erinnert, dass wir Tempel des Heiligen Geistes sind. Und immer hat die Kirche gelehrt, dass im Gewissen eines jeden Menschen Gott selbst spricht – wie immer das psychisch vermittelt ist – : die Lehre, dass Gott selbst in uns ist, entspricht meiner Erfahrung, und ich finde diese Erfahrung in vielen Religionen wieder.

Warum sonst spielt in allen großen Religionen die Schau nach innen, die Versenkung, die Einkehr in den Seelengrund eine so bedeutende Rolle?

Gott in mir. Gott in jedem Menschen. Wenn ich mir einmal die Erfahrung bewusst gemacht habe, dass sich Gott selbst in die menschliche Seele gibt, dann bin ich aufgeschlossen dafür, dass Gott auch in der menschlichen Geschichte Fleisch annimmt. Wenn er sich in unser Innerstes wagt, dann wagt er sich auch in unsere Geschichte. Viele Menschen haben in Jesus von Nazaret Gott selbst wiedererkannt, weil sie ihn zuvor in sich selbst erfahren hatten. Nicht so sehr die Wunder beglaubigen Jesus, sondern das Erlebnis seiner Persönlichkeit.

Die Lehre von der Dreifaltigkeit sucht diese Grund-Erfahrung auf den Begriff zu bringen, zu benennen, zu formulieren. Wir begegnen Gott in uns – und nennen ihn den Heiligen Geist. Wir begegnen Gott in der Geschichte unter dem Namen des Jesus von Nazaret. Sie begegnen uns, hervorgegangen aus dem göttlichen Urgrund, den wir, von Jesus ermutigt, mit dem Wort Vater bezeichnen.

Ob ich das reflektiere oder nicht, ich lebe aus diesem göttlichen Zusammenspiel. Göttliches Miteinander strahlt aus in unsere Welt. Göttliche Vielseitigkeit wird zur Anregung für mein Leben. Anregung von innen. Anregung von außen.

Zugleich erlebe ich dies als Hoffnung: in der Einwohnung des Geistes die Gewissheit, dass Gott alle Menschen liebt. In Jesus von Nazaret die Hoffnung, dass die Menschheit als ganze sich auch geschichtlich zum Guten sammeln kann.

Dass der Name des dreifaltigen Gottes mir so tief eingeprägt ist, kommt nicht nur aus der kindlichen Gewöhnung, sondern mehr noch aus der Erfahrung mit unserer Welt und mit der Erfahrung meines Herzens.

Welche Erfahrung ist Ihnen im Augenblick besonders wichtig? Die des Urgrundes oder die der Begegnung mit Gott in der Welt oder die Erfahrung des Trostes in Ihrem Innern?