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Goldenes Priesterjubiläum (Zweiter Fastensonntag 2010)

Datum:
28. Feb. 2010
Von:
Heinz Büsching

Ich bin 76 Jahre alt, davon 50 Jahre Priester. Was hat mich in diesen Jahren bewegt? Was hat mich geprägt?

Ich könnte einiges nennen. Aber ich durchschaue mich nicht. Im Letzten bin ich mir selbst ein Geheimnis. Aber ich möchte auf eine Frage eingehen, die mich Zeit meines Lebens begleitet hat. Und sie treibt mich bis heute. Ich spreche von der Gottesfrage.

Wo ist Gott. Wer ist Gott. Wer ist Gott für mich. Ich bin überzeugt, dass die Gottesfrage alle Menschen begleitet, oft verdrängt, manchmal rumorend, aber immer sprungbereit. Wo ist Gott. Wer ist Gott. Wer ist Gott für mich.

Ich finde mich vor in einer Welt, die gewaltige Ausmaße hat. Milliarden Sonnen in der Weite von Milliarden Lichtjahren. Unvorstellbar. Und diese gewaltige Welt verrät Intelligenz. Eine überragende Intelligenz. Die Wissenschaft staunt nicht nur über die Gesetze des Sternenhimmels, sondern auch über die Wunderwelt der Atome. Und sie kommt mit Forschen an kein Ende und hört nicht auf zu staunen.

Das Wesen, das hinter dem Ganzen steckt, das alles begründende Wesen – wir nennen es Gott. Oder ist alles nur Zufall? Hat sich so entwickelt? Entwicklung war wichtig, staunenswert, spannend. Aber der springende Punkt ist der Anfang. Von nichts kommt nichts. Und schon gar nichts Gescheites. Nein, aus dieser Richtung dämmert mir keine Antwort auf meine Fragen. Da gefällt mir schon besser ein Satz des großen Naturforschers und Theologen Teilhard de Chardin: Gott macht, dass die Welt sich macht.

Damit sind wir schon mitten in der Theologie. Ich finde mich ja auch vor in einer Menschenwelt, die auf meine Fragen längst Antworten versucht hat. Ich bin hineingeboren in das Christentum, darin aufgewachsen, getauft, gefirmt und sogar zum Priester geweiht. Darf ich da noch weiter fragen und suchen?

Ich bin zuerst mal Mensch unter Mitmenschen. Ich kann Atheisten nicht als Narren abtun und Gläubige anderer Religionen nicht für Dummköpfe halten. Das respektierende Gespräch mit Andersdenkenden ist für mich ein ständiger Stachel, mit dem Suchen und Fragen nach Gott nicht aufzuhören. Der tiefere Grund ist die Unruhe des Herzens.

Aber natürlich, manchmal ist es eine Not. Das Evangelium vom ersten Fastensonntag ließ uns einen Jesus erleben, der in der Wüste um Klarheit ringt. Das Ringen setzt sich fort in einsamen Zwiegesprächen mit dem Vater, bis hin zum Ölberg-Ringen und dem Sterben am Kreuz. Da wird sichtbar ein Aspekt, der mir wichtig ist: Gott stellt uns nichts Fertiges hin. Gott stellt Aufgaben. Aufgaben, die uns herausfordern. Wie das Entdecken unserer Welt eine Herausforderung ist, so ist eine Herausforderung auch das Gott-Finden. Das gilt für jeden einzelnen. Aber offensichtlich gilt es auch für die ganze Menschheit.

So jedenfalls stellt sich mir die Bibel dar. Während der Koran eine fertige Glaubenslehre ist, schildert die Bibel einen Klärungsprozess; einen Klärungsprozess der Gottesvorstellung. Vom Familiengott Abrahams bis zum göttlichen Weltenherrscher bei Daniel; vom eifernden Gott der Propheten bis zum barmherzigen Vater Jesu. 

Nehmen wir das heutige Evangelium als Symbol. Vor der Gottesbegegnung auf dem Berg der Verklärung steht die mühsame Bergwanderung. Vor dem Gipfel steht der Anstieg.

Der Klärungsprozess der Gottesvorstellung gipfelt in der Aussage: Gott ist die Liebe. Das schimmerte immer schon durch; bei Abraham etwa oder im Hohenlied oder im Jonabuch. Aber erst Jesus hat es zu überzeugender Klarheit gebracht, in Wort und Tat, im Leben und im Sterben. Gott ist die Liebe. Liebe gibt es nur in Freiheit. Und die Freiheit macht Probleme. Sie lässt Versagen zu und Leid. Dennoch bin ich für die Freiheit dankbar. Ich will keine Marionette sein. Und dankbar bin ich vor allem für die Liebe. Gott ist die Liebe.

Hier ist der tragende Grund, warum ich Christ bin und warum ich gerne Christ bleibe. Immer in tiefem Respekt vor den vielen Gottsuchern überall auf unserer Erde. Ist damit der Klärungsprozess bei mir abgeschlossen? Bei Heinz alles klar? Hilfe! Die Herausforderungen gehen weiter. Immer wieder erzählt die Bibel von Versuchungen, die von Gottes Liebe wegziehen. Jeder hat seine. Ich hab meine. Und die immer noch größere Liebe Gottes – in meinem Leben und überall in der Welt – will entdeckt werden, will immer noch weiter entdeckt werden.

Wer ist Gott? Er ist die Liebe, die alles umfängt. Wo ist Gott? Wo die Liebe und die Güte wohnen, da ist Gott. Wer ist Gott für mich? Er ist die Liebe, in die ich mich mit all meinem Versagen und mit allem, was ich nicht begreife, fallen lasse.