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Der Krieg hat begonnen. (Dritter Fastensonntag 2003)

Datum:
23. März 2003
Von:
Heinz Büsching

Das Wunder ist nicht geschehen. Der Krieg hat begonnen. Wir wissen nicht, ob er kurz wird oder lange dauert; in jedem Fall ist er schlimm. Jede Bombe, die fällt, ist zu viel. Jeder Mensch, der ums Leben kommt – ein Unheil. Jedes Kind, das jetzt sterben muss – eine Katastrophe.

Wir haben so viel gebetet. Viele Menschen haben so viel gebetet. Gott, warum bist du nicht dazwischengegangen.

Ist es vielleicht doch ein gerechter Krieg? Notwehr? Vielleicht vorbeugende Notwehr? Dies richtig entscheiden – dazu gehört nicht nur der Friedenswille, sondern auch der politische Sachverstand. Dazu gehört nicht nur der Fromme, sondern auch der Realpolitiker. Aber es haben ja nicht nur der Papst, die Bischöfe – deutsche und amerikanische –, die evangelische Kirche und unzählige Gläubige überall in der Welt gegen den Irakkrieg plädiert. Auch viele kluge politische Köpfe auf unserem Planeten haben das getan, an ihrer Spitze der Generalsekretär der UNO, und die Weltmeinung stand hinter ihm.

Das Wunder ist nicht geschehen. Der Krieg hat begonnen. Es gibt in der Theologie die Lehre vom "kleineren Übel". Ist dieser Krieg vielleicht doch das kleinere Übel gegenüber dem Weiterwirken des Massenmörders Saddam? Wären die Westmächte Hitler rechtzeitig in den Arm gefallen, damals, 1938 – es hätte wahrscheinlich Millionen von Menschen das Leben gerettet. Muss man nicht Saddam rechtzeitig in den Arm fallen?

Das ist eine wichtige, aber auch schwierige Frage. Viel Sachverstand ist nötig, um sie richtig zu entscheiden, viel Gewissen und ein gründliches Bedenken der Folgen. Bis zuletzt sind gute Sachkenner für die diplomatischen Mittel und die konsequenten Waffenkontrollen als die besseren Alternativen eingetreten. Gerade die von der UNO bestellten Waffeninspekteure haben zu diesem Weg ermutigt, einem Weg ohne Krieg.

Nun ist es doch passiert. Der Krieg hat begonnen. Was bedeutet das für unsere Vorstellung von Gott? Was bedeutet es für unsere persönliche Gottesbeziehung? Was bedeutet es für unser Beten?

Rupert Neudeck, der in allen Katastrophengebieten der Erde zu Hause ist, erzählte in einem Interview, er werde angesichts einer Katastrophe immer wieder gefragt: wie kann Gott das zulassen? Dann werde er immer ziemlich heftig und antworte: die Frage ist falsch gestellt. Sie muss lauten: Warum lassen wir das zu? Immer wehre er sich dagegen, dass wir Menschen uns mit Anklagen gegen Gott selber aus der Verantwortung ziehen.

Könnte es sein, dass wir in guten Zeiten es uns gut gehen lassen, den lieben Gott und die Armen und unsere Verantwortung vergessen, und wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, nicht an die eigene Brust schlagen, sondern die Schuld auf Gott schieben?

Könnte es sein, dass wir zu egoistisch vor uns hingelebt, zu wenig auf die bedrängten Völker hingeschaut, zu wenig geteilt haben?

Der Friede ist ein Werk der Gerechtigkeit. Tragen wir genug zur Gerechtigkeit bei?

Gehöre ich, gehören Sie auch zu denen, die sich aus der Verantwortung ziehen mit diesem "Auf mich kommt es doch nicht an"?

Das sind Fragen, Gewissensfragen. Ich stelle sie zuerst mir, aber dann auch Ihnen. Es sind nur Fragen, das Urteilen steht mir nicht zu. Richtet nicht und ihr werdet nicht gerichtet werden. Bitte auch nicht richten über die, die für den Krieg entschieden haben. Über die Motive der Amerikaner und Briten ist viel gerätselt und gewiss auch Gescheites gesagt worden. Doch ganz erkennen, wirklich wissen, können wir die Beweggründe der kriegführenden Mächte nicht. Gott allein schaut in die Herzen.

Bitte nicht richten. Bitte nicht hetzen. Bitte sich nicht überheben. Bitte nicht eine neue Front aufmachen. Friedensliebe, wenn sie denn echt ist, Friedensliebe geht nach allen Seiten.

Die Frage nach Gott hat uns auf die Frage nach dem Menschen gebracht, nach unserem menschlichen Miteinander. Wir haben Gott einen Ball zugeworfen, und er hat ihn uns zurückgespielt. Ich werfe ihn Gott noch einmal zu. Gott, warum bist du nicht dazwischengegangen?

Ich höre und lerne von Neuem, dass Gott uns viel Freiheit gibt und viel Verantwortung zumutet. Aber ich zweifle nicht daran, dass er schließlich und endlich alles zum Guten führt.

Gutes etwa schon jetzt? Was könnte das sein? Vielleicht Befreiung des Iraks, so wie Deutschland einst von Hitler befreit wurde. Vielleicht das Erwachen der Weltmeinung zu einem immer stärker werdenden Friedenswillen. Vielleicht, dass die Gemeinschaft der Beter in der Welt größer und sich ihrer Macht immer mehr bewusst wird.

Ich will nicht aufhören, um den Frieden zu beten. Im Friedensgebet bin ich ganz tief solidarisch mit unzählig vielen Betern in der ganzen Welt. Das macht stark. Da wächst mein Vertrauen, dass alles gut wird.

Beten Sie für den Frieden? Nur gelegentlich? Oder gehört es zu ihrem Alltag?