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Mein Weltjugendtag(e)buch

2005-08-19 Weltjugendtag 02
Datum:
14. Aug. 2005
Von:
cj

 

Sonntag, 14.08.

Büro ausgeräumt. Das Kernteam kann kommen!

 

Montag, 15.08.

7.00 Uhr: Das Kernteam kommt. 15 Jugendliche und junge Erwachsene beziehen ihren Posten im Pfarrhaus. In der Pilgersoftware (PISO) nachgesehen, wie viele Pilger kommen. Schock! Es kommen mehr als doppelt so viele wie erwartet! Erstmal gefrühstückt, danach bei ganz vielen Leuten angerufen: Ihr bekommt jetzt doch Pilger!

11.00 Uhr: Die Enttäuschung. Das mit den vielen Pilgern war ein Versehen. Nach Köln gemeldet: Wir haben noch Platz! Schickt uns doch noch welche! Erstmal abgewartet, ob nach dem Hinweis nicht doch noch wer kommt. Mittagessen für die Kernteamer gekocht. Draußen wird in der Zwischenzeit eine Bühne für das Willkommensfest aufgebaut. Am Nachmittag ist insgesamt nur ein Pilger dazugekommen. Ans Telefon gehängt, alle Gasteltern wieder angerufen: Es kommt doch keiner! Aber kaum ist der Letzte informiert, rappelt es im Karton. Sechs Busse mit Franzosen, zahlreiche Einzelpilger, es nimmt kein Ende. Telefoniert: Es kommen doch welche! Ich verlasse das hektische Treiben gegen 18.30 Uhr in Richtung Gesamtschule. Eröffnungsgottesdienst für 700 Malteser. Es regnet. Am provisorischen Altar stehen sieben oder acht Priester und zwei Diakone. Der zugesagte Chor ist nicht gekommen – wie gut, dass ich eine Gitarre habe! Inzwischen ist das Willkommensfest auf dem Kirchberg in vollem Gange. Vor dem Segen einige Reden hoher Malteser – ich sitze auf heißen Kohlen. Um Neun ist Eröffnungsgottesdienst für unsere Pilger! Kurz vor Neun fliege ich ein – an Messe kein Denken. Chaos auf dem Kirchberg. Dauernd kommen neue Pilger. Es gibt Waffeln und Würstchen. Die Bühne kann nicht verwendet werden, weil das Wetter zu schlecht ist.

Halb zehn: Die Messe beginnt. Drei Konzelebranten, unter anderem Pater Johannes aus dem Kongo. Wir reden in vielen Sprachen. Ein Tanz aus Guatemala begeistert viele. Texte und Gebete sind französisch, englisch, polnisch, deutsch. Wir sind Weltkirche. Nach der Messe, 22.45 Uhr: Im Pfarrheim verteilt Gundula Dinter die Pilger auf ihre Unterkünfte. Das Chaos lichtet sich. Gegen 0.30 Uhr werden die letzten Pilger abgeholt, etwa 30 übernachten in Pfarr- und Jugendheim. Gegen 2.30 Uhr wird es allmählich still auf dem Kirchberg.

 

Dienstag, 16.08.

06.00 Uhr: Im Pfarrheim wird Frühstück gemacht. Keine Brötchen da. Das Cateringunternehmen hat uns wohl nicht gefunden. Brötchen selber gekauft. Um 7.20 Uhr gibt es für alle Frühstück, um 8.15 Uhr Morgengebet. Danach geht es für unsere Pilger nach Köln oder Bonn, für die Kernteamer ins Büro. Tausend Kleinigkeiten müssen geklärt werden. Warum war kein Essen da? Wieviele Pilger kommen noch? Die große Gruppe aus Turin kommt erst am Freitag in die Hanftalschule. Weiß das auch das Cateringunternehmen? Hurra, an der Schule stehen 900 Brötchen! Aber wir brauchen für die 30 Pilger im Pfarrheim nur etwa 50. Eitorf hat keine bekommen. Ab sofort bekommen wir jeden Morgen Besuch aus Eitorf, ein Brötchentaxi. Mittagessen für das Kernteam gibt es in zwei Etappen. Für alle reicht mein Eßtisch im Wohnzimmer nicht. Danach – die Kernteamer sind immer noch alle im Streß– fahre ich mit Pater Johannes nach Bonn zum Eröffnungsgottesdienst.
Die Straßen sind leer, die Bahnen voll. Ich finde einen Parkplatz direkt an der Hofgartenwiese. Es wird ein atemberaubendes internationales Fest des Glaubens. Unbeschreiblich die Begeisterung der Hunderttausend. Der Weltjugendtag beginnt – ein Freudenfest. Johannes und ich konzele-brieren zusammen mit tausend Priestern und einigen Bischöfen. Nachher spazieren wir noch durch Bonn. Überall treffen wir auf singende und tanzende Pilger aus aller Herren Länder.
Müde kommen wir gegen 22.00 Uhr zurück nach Hennef, aber völlig erfüllt von der überschäumenden Begeisterung auf der Hofgartenwiese und in den Straßen von Bonn. Zuhause immer noch viel los im Büro. Pilger kommen und gehen, noch immer sind nicht alle da. Ich suche im Internet Berichte von der herrlichen Veranstaltung in Bonn, aber alle reden nur von Köln, wo der Kardinal war. Schock am Bildschirm: Eine Meldung erobert den späten Abend. Roger Schutz, der Gründer von Taizé, ist tot, ermordet worden. Bald läuft auch unten im Pilgerbüro dauernd der Fernseher. Die Stimmung: eben noch euphorisch, jetzt betroffen und traurig. Irgendwann falle ich todmüde ins Bett.


Mittwoch, 17.08.

Diesmal haben wir Brötchen, jede Menge. Das Frühstück mit Kernteamern und Pilgern im Pfarrheim ist schon fast Tradition. Unser Morgengebet ist aus aktuellem Anlaß als Taizégebet gestaltet. Morgens steht wieder für viele Büroarbeit an, nach dem gemeinsamen Mittagessen geht es mit allen, die wollen, nach Bonn.
Wir fahren mit zwei Kleinbussen, parken in Beuel. Nach einer Fahrt mit der „Rheinnixe“ besuchen wir das „Global Village“ an der Beethovenhalle mit mobiler Holzkirche und einem Parabolspiegel, mit dem man Kartoffeln kochen kann. Anschließend geht es ins Münster.
Hier sind alle Bänke entfernt, die Kirche ist von den Brüdern von Taizé gestaltet worden. Sie wirkt ganz anders als sonst. Aber nichts erinnert an den tragischen Tod des Gründers in der vergangenen Nacht. Gegen Abend landen wir schließlich wieder alle am Global Village, wo eine Band stundenlang gute Musik macht. Währenddessen rollt ein riesiger luftgefüllter Ball über das Publikum hinweg und etwa tausend Pilger freuen sich, daß sie gute Musik hören und was zum Spielen haben. Abends in Hennef geht wieder der Trubel los.
Ab 22.00 Uhr kommen nach und nach die Pilger heim und müssen versorgt werden. Gegen 01.00 Uhr ist Ruhe.
Donnerstag, 18.08. Nach Frühstück und Morgengebet sind die Pilger so weit versorgt oder unterwegs. Wir richten einen Nottelefondienst ein und alle anderen gehen zum Bahnhof und fahren nach Köln. Pater Behlau sitzt mit uns im Zug. Er möchte in seinem Büro in Köln arbeiten und hat einen Schlafsack dabei, weil er glaubt, nicht wieder aus Köln herauszukommen, weil es da so voll ist.
In der Innenstadt warten schon Hunderttausende auf den Papst. Rund um den Hauptbahnhof herrscht Ausnahmezustand. Die Domplatte ist schon gegen 12.00 Uhr wegen Überfüllung gesperrt, obwohl der Papst erst in sechs Stunden kommt. Auch am Rhein ist fast kein Durchkommen mehr. Unsere Gruppe schafft es, zusammenzubleiben, weil sie eine Kette bildet. Jeder hält sich am Rucksack seines Vordermannes oder seiner Vorderfrau fest, so geht es ganz gut. Wir schaffen es über die Deutzer Brücke, bevor gegen 14.00 Uhr alle Rheinbrücken gesperrt werden. Mit einem großen, nicht enden wollenden Pilgerstrom erreichen wir die Poller Rheinwiesen. Stundenlang liegen wir in der Sonne – nach dem Streß der vergangenen Tage tut das wirklich gut – und dann kommt das Papstschiff, fährt erst an uns vorbei, setzt dann zurück und kommt genau vor uns zum Stehen. Wir sehen und hören live, nicht über die Großbildschirme den Papst, wie er zu uns spricht. Alle wissen jetzt: Das lange Warten hat sich gelohnt. Unter Benedettorufen und verabschiedet von tausenden von Fahnen macht sich das Schiff schließlich auf den Weg zum Dom – und wir machen uns auf den Weg nach Hennef. Die Fahrt mit KVB und S-Bahn dauert gut zwei Stunden. Beim abendlichen Eintreffen der Pilger in ihren Quartieren sind wir wieder in der Warth und helfen, wo wir nur können.


Freitag, 19.08.

Der Tag steht ganz im Zeichen des Kreuzwegs durch Hennef. Aber zuvor kommen noch über 100 Pilger aus Turin, die in der Turnhalle der Hanftalschule untergebracht werden müssen. Nachdem wir immer nur mit 30 Leuten im Pfarrheim gefrühstückt haben, ist das mit so vielen logistisch wesentlich schwieriger. Gegen Abend treffen wir uns mit vielen hundert Pilgern in der Kirche und beten den Kreuzweg. Dann ziehen wir durch Hennef zum Sportplatz und beten gemeinsam mit Pilgern aus den anderen Hennefer Gemeinden die letzten zwei Stationen. Nach dem Kreuzweg steigt die Féte, Dryade spielt, die Menge rockt, aber leider verliert man sich auf dem stockfinsteren Sportplatz andauernd aus dem Blick und viele finden weder den Getränke- noch den Würstchenstand.
miteinander


Samstag, 20.08.

Nach dem letzten und größten Frühstück treffen wir uns mit allen Pilgern in der Kirche, um in einer heiligen Messe den Abschied von den Gemeinden zu feiern. Es wird sehr schön und international, und trotz der vielen Anstrengung sind viele traurig, daß es jetzt schon vorbei ist. Wie in der ganzen Woche begleitet uns musikalisch eine Band unter der Leitung von Theo Gast und Norbert Klein. Am Ende des Gottesdienstes gibt es viele Dankeschöns und rasenden Beifall für Kernteamer, Gastgeber, Helfer und alle Beteiligten.
Kurz darauf verlassen die Pilger Hennef in Richtung Marienfeld. In ungewohnter Ruhe sitzen die Jugendlichen im Pilgerbüro und überlegen, ob und wie sie morgen zum Marienfeld kommen. Dann geht einer nach dem anderen nach Hause, um vorher noch etwas Schlaf nachzuholen. Mir kommt die Idee, den Beamer in die Kirche zu stellen und wir schließen ihn noch an die Boxen und an die DVBT-Box an, um den Papst auch in die Liebfrauenkirche übertragen zu können. Gegen 14.30 Uhr haben wir alles angeschlossen und der selbstgebastelte Riesenfernseher funktioniert. Nach den Abendmessen in Happerschoß und der Warth bleibe ich noch mit einigen in der Kirche sitzen und sehe mir dort auf der Leinwand die Vigil vom Marienfeld an. Ich bin beeindruckt und freue mich auf morgen.


Sonntag, 21.08.

Um 05.00 Uhr werde ich zu Hause abgeholt, um 05.13 Uhr sitze ich im Zug nach Horrem. Er ist wider Erwarten gar nicht voll. Die Kernteamer sind schon weg, die sind noch früher losgefahren. Ich suche sie den ganzen Tag lang, kann sie aber auf dem Marienfeld nicht finden.
Von Horrem zum Marienfeld schlängelt sich am Morgen der Strom der Pilger durch den Morgennebel über die Felder. Meine mitreisenden Kommunionhelfer verabschieden sich von mir, sie müssen zum Anbetungszelt, ich zu den Priestern. Gemeinsam mit meinem Bruder und 10.000 Priestern erlebe ich die Papstmesse aus der ersten Reihe. Selbst die Priester rufen laut jubelnd „Benedetto“, wenn sie den Papst sehen. Die Stimmung ist gut, aber als der Papst das Marienfeld verläßt, wird es proble-
matisch. Eine Moderatorin versucht die Pilger noch etwas auf dem Platz zu halten, aber alles strömt schon zu den Toren und Bahnhöfen. Horrem ist überfüllt. Viele Pilger haben zu wenig getrunken oder sind erschöpft. Hilfskräfte sind stundenlang im Einsatz. Vom Marienfeld bis in den Zug dauert es bei mir etwa sechseinhalb Stunden, gegen 22.00 Uhr bin ich in Hennef. Andere waren wohl noch länger unterwegs. Auf dem Bahnsteig treffe ich einige unserer Pilger wieder. Sie kommen mit zu mir. Nicht nur im Pfarrhaus, sondern auch in vielen anderen Häusern schlafen noch einmal Pilger. Sie sind einfach nicht rechtzeitig vom Marienfeld weggekommen, um noch den Heimweg antreten zu können.


Montag, 22.08.

Frühstück mit den letzten 10 Pilgern, aber erst gegen 8.30 Uhr. Danach feiern wir im ganz kleinen Kreis noch einen letzten Gottesdienst, dann verlassen die letzten Pilger Hennef. Mein Dank gilt allen Beteiligten. Und den Pilgern. Ich bin froh, dabeigewesen sein zu dürfen.