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Erntedank 2006

Ein sichtbares Zeichen, Ausdruck einer alten Tradition ist das Herrichten von Körben mit Gemüse, Früchten, Brot......., liebevoll und dekorativ vor dem Altar aufgebaut. Dieses Brauchtum wird sowohl in den Städten als auch in ländlichen Regionen gepflegt. Es ist gut, dass solche Traditionen uns an unser Verbundensein mit der Natur erinnern und zum Nachdenken anregen: Von dem Einfühlungsvermögen in eine bäuerliche Gesellschaft, die mit der Natur verbunden und existentiell abhängig von ihr lebte, entfernen wir uns immer mehr, selbst in unseren Dörfern.- Da kommen im Frühjahr einige riesige Traktoren und Lkws, beackern und säen an einem einzigen Tag (meistens an einem Sonntag) große Felder um unser Dorf. Wir sind vielleicht Zuschauer im Vorbeigehen und lassen uns von dem Arbeitstempo und der Größe der Traktoren und Maschinen beeindrucken. In der Zeitung lesen wir in einem Artikel mit der Überschrift: „An der Salatfront“, dass ein Grossbauer in Niedersachsen 120 Millionen Köpfe Eissalat und 42 Millionen Kohlrabi jährlich an große Handelsketten wie ALDI und andere ausliefert. Hier wird Landwirtschaft in Fließbandarbeit und Massenproduktion umfunktioniert, die den Menschen zum Roboter macht.
Datum:
1. Okt. 2006
Von:
ur

In Zeiten einer Agrargesellschaft schritt der Bauer hinter seinem Gespann, ackerte, säte, erntete. Er beobachtete das Wachsen – abhängig von Sonne und Regen- erlebte wie der Wind das blühende Getreide bestäubte, bangte um das Wachsen und Reifen des Korns. Da war noch die Nähe zur Natur, die zum Nachdenken verführt, die Freude am Beobachten des Wachsens, das Staunen über das Wunder des Lebens, die Brotvermehrung (aus einem Korn werden in einer Ähre viele Körner). – Diese Arbeit war wie ein Lebensfaden, eine Quelle, die immer wieder zum Fragen und Forschen herausfordert und auf eine religiöse Ebene emporträgt.
Viele Bilder unserer Evangelien waren erlebbar, nachvollziehbar.


Welche Mühen und Anstrengungen, die mit Eigenverantwortung und persönlicher Zielsetzung verknüpft und daher keine Fließbandarbeit sind, wurden diesen Menschen abgefordert, bevor sie ihre Ernte in die Scheune einbringen konnten. Von dieser Ernte war ihr tägliches Brot, ihr Leben abhängig.
Aus dieser Perspektive betrachtet, verstehen wir, dass nach dem Ernten das Danken und Feiern folgten. Das Bewusstsein, dass Gott an diesem Werk beteiligt ist, wurde am Erntedankfest sichtbar, wenn die Früchte dieser Erde und das Brot auf den Stufen vor dem Altar aufgebaut wurden.


Zwei Welten stehen sich da gegenüber: der alte Bauernhof und die Agrarfabriken, die Vergangenheit und die Gegenwart. An der Salatfront wird gekämpft. Menschen leisten Fließbandarbeit. Bleibt diesen Menschen, die viele Stunden, Tage, Wochen, Salatköpfe schneiden und verpacken noch Zeit zum Staunen und Nachdenken?
Die Gegenüberstellung von alter und neuer Welt, macht uns bewusst, dass wir nach neuen Wegen suchen müssen, um die Nähe und das Verbundensein mit der Natur- und dem Schöpfer der Natur wieder zu gewinnen. Der Mensch des 21. Jahrhunderts beginnt über das, was er täglich isst, nachzudenken, aber aus der Sicht einer anderen Betroffenheit: Ist das, was ich kaufe, esse, gesund für mich? Wie viel Chemie verzehre ich gleichzeitig? Welche Krankheiten und Unverträglichkeiten verbinden sich mit diesen Produkten? Viele machen sich auf den Weg zum Bauernhof, der uns Waren verspricht, die mit weniger Chemie produziert und behandelt wurden. Ist das ein Weg, der uns zu weiterem Nachdenken zwingt? In einer Rede des Indianerhäuptlings Seattle im Jahre 1855 erfahren wir zu diesem Thema: „Die Erde ist unsere Mutter. Der Mensch schuf nicht das Gewebe des Lebens, er ist darin nur eine Faser. Die Erde gehört nicht dem Menschen, der Mensch gehört zur Erde. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne.“ Eine Warnung, die 150 Jahre später verstanden wird.


Erntedankfest vor etwa 2000 Jahren, so könnte man den Psalm 65 Vers 10-12 überschreiben. Wir lesen auszugsweise: „Du sorgst für das Land und tränkst es; du überschüttest es mit Reichtum, segnest ihre Gewächse. Du krönst das Jahr mit deiner Güte. Deinen Spuren folgt der Überfluss. Die Täler hüllen sich in Korn. Sie jauchzen und singen.“
Lassen wir uns von diesen Gedanken beflügeln und feiern in diesem Sinne unser Ernte- Dank– Fest!