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Wie gehen wir mit Macht um? ... (31. Sonntag im Jahreskreis 2002)

Datum:
3. Nov. 2002
Von:
Heinz Büsching

Wie gehen wir mit Macht um?
Dieses Evangelium stellt die Frage nach der Macht.
Wie gehen wir mit Macht um?

Ich höre aus diesem Evangelium insbesondere heraus die Frage:
Wie gehen wir in der Kirche mit Macht um?
Aber es fällt ja auch das Stichwort "Vater" und das Stichwort "Lehrer". Offensichtlich wird auch nach der Machtausübung in anderen Bereichen gefragt. Etwa: Wie ist das mit der Macht in der Familie? Oder: Wie wird Macht in der Schule gehandhabt. Und mit dem Satz: "Der Größte von euch soll euer Diener sein" wird jede Macht auf dieser Erde in Frage gestellt.

Die Grundaussage dieses Evangeliums lautet: Alle Macht gehört Gott. Alle Macht auf Erden kommt von ihm und kann nur treuhänderisch in seinem Sinn verwaltet werden. "Nur einer ist euer Vater – der im Himmel". "Nur einer ist euer Meister, nur einer euer Lehrer – Christus".
Hier wird Macht von Menschen über Menschen eine grundsätzliche Absage erteilt und stattdessen ins Bewusstsein gehoben, dass wir vor Gott alle Schwestern und Brüder sind. Wie wir miteinander umgehen – das soll nicht bestimmt sein von der Macht, sondern von Geschwisterlichkeit, nicht vom Herrschenwollen, sondern vom Dienen.

Nun reizt dieses Evangelium ungeheuer dazu, über die da oben zu schimpfen. Und die Bemerkungen über die Schriftgelehrten und Pharisäer reizen vor allem dazu, über die da oben in der Kirche zu schimpfen. Aber da das Evangelium eben doch grundsätzlich angelegt ist, fühlt man sich angeregt, auch die aufs Korn zu nehmen, die im Staat das Sagen haben. Auf den ersten Blick scheint dieses Evangelium einem das Recht zu geben, alle Bonzen dieser Erde mal kräftig unter Feuer zu nehmen. Das kann durchaus sinnvoll sein. Manchmal ist es notwendig. Es ist nicht richtig, die Machtkritik nur den Journalisten zu überlassen. Auch von der Kanzel aus muss Machtkritik möglich sein. Und manchmal ist sie geboten. In vielen Ländern der Erde ist die Kirche in der Tat eine machtkritische Instanz. Und in der Hitler-Zeit hätten wir uns ein bisschen mehr Machtkritik von seiten der Kirche auch im eigenen Land gewünscht.

Aber ich möchte heute auch auf eine Gefahr der Machtkritik hinweisen.
Wenn ich jetzt über "die da oben" herziehe, dann habe ich das fiese Gefühl, dass ich genau das tue, was das heutige Evangelium verurteilt: ich benehme mich wie ein Pharisäer.
Ich möchte die Gefahr bewusst machen, dass ich mich mit Hilfe des Evangeliums als Moralapostel über "die da oben" stelle. Die Gefahr der Selbstüberhebung sollte jeder bedenken, der sich zur Machtkritik berufen fühlt. Im Stil dieses Evangeliums und ganz sicher in seinem Geist könnte man auch formulieren: Nur einer ist euer Richter, und das ist Gott.
Nun hoffe ich sehr, dass auch die da oben dieses Evangelium lesen und selbstkritisch bedenken. Aber zunächst will ich es mir selber zu Herzen nehmen. Und das möchte ich auch Ihnen empfehlen. Denn die Versuchung, über andere zu bestimmen und sich über andere zu erheben – sie steckt in jedem.

Manch einer mag jetzt sagen: aber ich übe doch gar keine Macht aus, ich bin klein und schwach. Sagen Sie das nicht so schnell. Macht kommt oft auf leisen Sohlen daher. Gerade im kleinen Bereich sind die Waffen der Macht oft gut getarnt.
Da wird Macht ausgeübt mit gezielter Fürsorglichkeit, mit Vorwürfen, mit Tränen, mit einem traurigen Gesicht oder ähnlich leisen Druckmitteln. Seien Sie selbstkritisch. Fragen sie sich ehrlich: wie übe ich Macht aus? Wie mache ich Druck?

Zum Schluss möchte ich die Frage stellen, ob bei so viel Aufforderung zu Kritik und Korrektur dieses Evangelium noch eine Frohe Botschaft ist.
O ja! Und wie!
Behutsamer Umgang mit Macht, Umgang, der sich seiner Verantwortung vor Gott bewusst ist, befreit uns zu mehr Mitmenschlichkeit, zu Geschwisterlichkeit. Und wo es aus übergroßer     Sorge mit der Macht übertrieben wird, da leitet uns dieses Evangelium an, unsere Sorge an den Vater im Himmel abzugeben. Wir können nicht alles regeln. Wir können nicht alle retten. Wir sind nicht Gott.

Nur einer ist euer Vater – der im Himmel.
Die letzte Verantwortung trägt der da ganz oben.
Welche Sorge sollten Sie an ihn abgeben?  

Mt 23, 1-12 (31. Sonntag im Jahreskreis A)

In jener Zeit
wandte sich Jesus an das Volk
und an seine Jünger
und sprach: Die Schriftgelehrten und die Pharisäer
haben sich auf den Stuhl des Mose gesetzt.
Tut und befolgt also alles,
was sie euch sagen,
aber richtet euch nicht nach dem,
was sie tun;
denn sie reden nur,
tun selbst aber nicht,
was sie sagen.

Sie schnüren schwere Lasten zusammen
und legen sie den Menschen auf die Schultern,
wollen selber aber keinen Finger rühren,
um die Lasten zu tragen.

Alles, was sie tun, tun sie nur,
damit die Menschen es sehen:
Sie machen ihre Gebetsriemen breit
und die Quasten an ihren Gewändern lang,
bei jedem Festmahl möchten sie den Ehrenplatz
und in der Synagoge die vordersten Sitze haben,
und auf den Straßen und Plätzen lassen sie sich grüßen
und von den Leuten Rabbi - Meister - nennen.

Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen;
denn nur einer ist euer Meister,
ihr alle aber seid Brüder.
Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen;
denn nur einer ist euer Vater,
der im Himmel.
Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen;
denn nur einer ist euer Lehrer,
Christus.
Der Größte von euch soll euer Diener sein.
Denn wer sich selbst erhöht,
wird erniedrigt,
und wer sich selbst erniedrigt,
wird erhöht werden.

 

Mt 23,1-12