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Wann endet der Gottesdienst? - Zur Bedeutung des Orgelspiels -

Erster Weihnachtsfeiertag in unserer Pfarrgemeinde: Der wie immer sehr gut vorbereitete Jugendgottesdienst geht zu Ende.
Datum:
30. Dez. 2009
Von:
kg

Leider gab es Probleme mit einem Mikrofon, das während des Gottesdienstes hässliche Töne von sich gab. Der volle D-Dur-Schlussakkord von „O du fröhliche“ ist noch nicht verhallt, da setzt wie üblich ein Stimmengewirr in der Kirche an: gibt es doch so vieles über das Weihnachtsfest miteinander auszutauschen. Der Organist lässt trotzdem die Freude über die Geburt Christi nachklingen mit einer Orgelbearbeitung des bekannten und feierlichen Händel-Hallelujas. In die Passage: „Und er regiert auf immer und ewig“ dringt plötzlich das Kreischen des defekten Mikrofons. Jemand hat bereits mit einer intensiven Fehlersuche begonnen. Das Quietschen und Kratzen steigert sich, an ein Fortsetzen des Orgel-Nachspiels ist nicht mehr zu denken. Entnervt und frustriert
bricht der Organist das Orgelspiel ab. Fünf Wochen Üben sind nun umsonst. Das jähe Ende des Nachspiels wird von den Gottesdienstbesuchern nicht wirklich bemerkt. „Die Pfeifenorgel soll in hohen Ehren gehalten werden; denn ihr Klang vermag den
Glanz der kirchlichen Zeremonien wunderbar zu steigern und die Herzen mächtig zu Gott und zum Himmel emporzuheben“.
(aus den Richtlinien „Musicam sacram“ der Ritenkongregation vom 5. März 1967, Abschnitt „De musica sacra instrumentali“)

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Welche Bedeutung hat die Orgel und das Orgelspiel in unserer Pfarrgemeinde? Oder abgewandelt: Wann beginnt und wann endet der Gottesdienst? Der erste Teil der Frage ist einfach beantwortet: Mit dem Schlag der Sakristeiglocke beginnt ein Orgelspiel zum Einzug, dem „Präludium“, ein auf einen Choral hinführendes oder einen Gottesdienst eröffnendes Werk. Bereits dieses Vorspiel ist vom Organist mit Bedacht ausgewählt, soll es doch bereits den Charakter des bevorstehenden Gottesdienstes aufgreifen: feierlich an Festtagen oder anderen „Hoch-Zeiten“, besinnlich in
der Advents- oder Fastenzeit, mitfühlend und zurückhaltend zu Exequien. Die Auswahl der Gemeindelieder richtet sich nach mehreren Kriterien: primär nach der Zeit im Kirchenjahr, nach den Texten der Lesungen und der Stelle des Liedes im Gottesdienst. In der Regel obliegt die Auswahl der Lieder in unserer Pfarrgemeinde dem Organisten und ist ein wichtiger Bestandteil seiner Vorbereitung. Und diese beginnt nicht erst fünf Minuten vor Beginn der Messe! Möglicherweise ist Ihnen ein zum Gottesdienst passendes Lied nicht so bekannt. Versuchen Sie, sich darauf einzulassen, wie Sie auch den Messtexten oder der Predigt offen stehen! Ohnehin wird Ihre Bereitschaft, neue Lieder zu lernen, mit dem neuen Gotteslob gefordert sein. Dieses neue Gesangbuch wird voraussichtlich im Jahr 2011 erscheinen und eingeführt.

Wann ist nun der Gottesdienst zu Ende? Mit dem Segen? Sie als Gottesdienstbesucher bringen Ihren Dank nach dem Segen in einem gemeinsamen Schlusslied zum Ausdruck. Es schließt sich das Orgel-Nachspiel an, auch „Postludium“ genannt. Das Nachspiel möchte
allen Gläubigen die Gelegenheit bieten, den Gottesdienst noch eine kurze Zeit nachwirken zu lassen, seine Botschaft zu festigen und schließlich die Gedanken wieder auf den Weg aus der Kirche hinaus zu begleiten. Sollte dies nicht notwendig sein, hat das Orgel-Nachspiel seine Berechtigung verloren. Letztlich müssen Sie also die Frage für sich selbst beantworten, wann der Gottesdienst für Sie zu Ende ist. Ein Organist hat keinen einfachen Stand: In katholischen Kirchen ist sein Platz in der Regel recht weit vom gottesdienstlichen Geschehen entfernt. Er fällt nur dann auf, wenn er fehlt oder seinen Job nicht ordentlich erledigt hat. Anerkennung erhält er recht selten. Kirchenmusiker müssen daher ein hohes Maß an Eigenmotivation und eine hohe Frustrationsschwelle mitbringen. Je geringer der Stellenwert des Orgelspiels und der Kirchenmusik in einer Gemeinde ist, desto eher wird der Kirchenmusiker in seinem Bestreben nach einer anspruchsvollen musikalischen Gestaltung der Gottesdienste nachlassen.
Welche Bedeutung hat für Sie das Orgelspiel in unseren Gottesdiensten?