Zum Inhalt springen

Über dem kommenden Jahr liegt der Schatten des Krieges. (Silvester 2002)

Datum:
31. Dez. 2002
Von:
Heinz Büsching

Über dem kommenden Jahr liegt der Schatten des Krieges. Schon in die ersten Monate drängen Gewitterwolken. Die Bedrohung ist schlimm. Schon geht die Angst um, dass ein Krieg im Nahen Osten zum Erdbeben wird, das die Welt erschüttert. Immer leben wir Menschen – wie die Bibel sagt – in Finsternis und Todesschatten. Weiß Gott, die Finsternis ballt sich zusammen.

Was ist mit uns? Wie gehen wir mit der Kriegsdrohung um?

Könnte es sein, dass viele den Kopf in den Sand stecken? Ich spüre diese Neigung in mir auch. Weggucken. So tun, als wäre nichts. Es wird schon irgendwie gutgehen. Einfach weitermachen.

Aber das ist gar nicht so leicht. Die Nachrichten sind deutlich und drängend: massive Kriegsvorbereitungen, die Rede von chemischen und biologischen Waffen, von Giftgas und von Raketen auf Israel; die Sorge, dass der ganze Nahe Osten ins Wanken gerät; die Angst, dass der Terrorismus überall in der Welt zu neuen, schrecklicheren Dimensionen angeheizt wird; ganz zu schweigen von den bösen Folgen für die Weltwirtschaft und der Gefahr, dass die weltweite Armut, die schlimm ist, noch schlimmer wird.

Ich will das Szenario nicht weiter ausmalen. Das können politische und militärische Sachkenner besser. Und sie tun es schon jetzt so eindrucksvoll, dass niemand mehr mit gutem Gewissen weggucken kann und jeder gefragt ist, wie er sich dazu verhält.

Ich will ein inneres Verhalten nennen, das Sie vielleicht erschreckt oder mir gar nicht abnehmen wollen, weil Sie es für nicht denkbar halten. Ich will es trotzdem aussprechen.

Gibt es nicht da und dort ein geheimes Behagen, ja, ein fasziniertes Hinschauen. tolle Sache! Endlich mal was los! Eine geheime Lust am Krieg – vielleicht uneingestanden, vielleicht immer wieder schnell überdeckt von Angst oder schlechtem Gewissen.

Aus der Bibel weiß ich, dass das menschliche Herz nicht lauter ist, wie der Mund glauben lassen will. Aus der Geschichte weiß ich, dass sich in fast regelmäßigen Abständen Spannungen zusammenbrauen, die Entladung wollen. Aus den Nachrichten schöpfe ich den Verdacht, dass es wieder so weit ist. Aus den Brutalitäten, die uns das Fernsehen ins Haus schwemmt, kommt mir die Ahnung, dass sich in denen, die das sehen wollen, viel Aggressivität angesammelt hat. Da schwelt was.

Wenn das menschliche Herz so friedlich wäre, wie die Münder vorgeben, dann gäbe es keinen Krieg, weder im Nahen Osten noch sonst irgendwo. Und es ist nur realistisch, wenn das Gebet um den Frieden zuerst an die Herzen denkt, an den Frieden in sich, an den Frieden in mir selbst.

Beten Sie um den Frieden? Wird in Ihrer Familie um den Frieden gebetet? Wenn Sie mit Gott allein sind, sagen Sie ihm dann, wie sehr Ihnen der Frieden am Herzen liegt und wie sehr Sie ihn darum bitten?

Mag sein, dass ich mit solchen Fragen Selbstverständlichkeiten anspreche und nur in die Glut einer längst vorhandenen Bereitschaft blase. Aber so klar ist das ja nicht. Denn die Fähigkeit zu beten ist fundamental bedroht. Astrologie und Esoterik sind im Kommen. Sie suchen auch in christlichen Köpfen Einlass. In den Unsicherheiten des Lebens versprechen sie sicheres Wissen. In der Krise steigt ihre Attraktivität. Astrologie und Esoterik: das ist die Befassung mit den geheimen Mechanismen, die die Welt regieren. Und vielleicht ist in der Krise für manchen suchenden und ringenden Menschen die entscheidende Herausforderung die Frage: Wer ist Herr im All? Wer ist der Herr der Geschichte? An wem entscheidet sich mein Geschick? An wem oder an was? Ist es der persönliche Gott? Oder sind es unpersönliche Kräfte, die von den Sternen ausgehen oder sonst woher im Kosmos. Ganz praktisch und alltäglich heißt das: suche ich das Heil im Geheimwissen oder beim persönlichen Gott?

Wir sind Sinn-Sucher, zeitlebens Sinn-Sucher; und wenn die Sinnsuche sich zuspitzt, dann ist dies auch eine Chance, eine fruchtbare Möglichkeit, von der ich glaube, dass Gott sie uns in aller Angst und Verwirrung immer wieder anbietet. Sucht mich, und ihr werdet mich finden. Ich klopfe an. Lasst mich ein. Bittet, und ihr werdet empfangen.

Unser Papst hat mit wünschenswerter Klarheit einen Präventivkrieg verurteilt. Und er ist angegangen gegen die Resignation, als ob der Friede schon verloren wäre. Nein, es ist noch nicht zu spät. Auch die deutschen Bischöfe und der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche haben zu einer Mobilmachung für den Frieden aufgerufen. Aufstehen für den Frieden. Nicht nur zum Beten sind wir eingeladen, sondern auch zum Helfen. Der Friede ist eine Frucht der Gerechtigkeit.

Unsere Pfarrgemeinde, mit Missions- und Caritaskreis und vielen Einzelkämpfern, hat durch vielfältige Hilfen wenigstens ein bisschen dazu beigetragen, Not zu lindern, gerechter zu verteilen und Zeichen der Hoffnung zu geben. Das ist Friedensarbeit. Weiter so!

Sagen Sie nicht: auf mich kommt es doch nicht an. Es kommt auf jeden an. Wer betet und hilft, der macht auch Stimmung für den Frieden, baut an einem Klima des Friedens mit und macht den Schrei nach Frieden lauter. Was werden Sie tun?

Über dem kommenden Jahr liegt der Schatten des Krieges.

In der Bibel gibt es nicht nur das Bild vom Todesschatten. Da ist auch die Rede vom Schatten der Flügel, die Gott über uns ausbreitet. Wie ein Adler über seine Jungen, so will Gott über uns seine Flügel ausbreiten.

Ja, Gott, birg uns im Schatten deiner Flügel!