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Hochwasser in Polen - Hilfe für Neiße

1997 AKP in Nysa 09 Hochwasser
Datum:
2. Okt. 1997
Von:
Leszek Paszkiet

AK Polenhilfe informiert - Oktober 1997

Wie wir bereits berichteten, sind von dem diesjährigen Hochwasser auch viele der von uns betreuten Familien in Neiße (Niederschlesien) betroffen. Für die Menschen wird die Situation mit dem einbrechenden Winter noch schwieriger. Von der großen Anfangshilfe, die von vielen Organisationen und Einzelpersonen kam, ist kaum noch etwas zu sehen. 

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Die Leute sind jetzt auf sich gestellt. Sie haben Angst vor dem Winter, der in Polen viel härter ausfällt als in Deutschland. In den Hochwassergebieten ist die Selbstmordrate sprunghaft angestiegen.

Viele haben gehofft und vielleicht auf' ein Wunder gewartet.  Jetzt sitzen sie in ihren, durch Feuchtigkeit, Gestank und Schimmelpilz, völlig unbewohnbaren Häusern. Aber wohin sollen sie gehen? In vielen Fällen existieren die vom Staat versprochenen Ersatzhäuser nur auf dem Papier.

Die Häuser, die gebaut wurden, sind in erbärmlichem Zustand und kaum isoliert. Die Familien sind nicht in der Lage, die dafür nötigen Heizkosten aufzubringen. Der Staat hat den Hochwasseropfern für polnische Verhältnisse günstige Kredite angeboten. Doch wer kann bei geringem oder gar keinem Verdienst 20% Zinsen zahlen?

Um auch längerfristig Solidarität zu zeigen, haben wir uns im Sommer kurzfristig entschlossen, Anfang Oktober einen, für diesen Zeitpunkt nicht geplanten, Hilfstransport dorthin zu fahren. Über diese Reise wollen wir Ihnen im Folgenden berichten. Der LKW ist bereits am 29.09. mit 4 Tonnen an Kleidung, Gardinen, Bettwäsche und Spielzeug sowie Stühlen für eine Sonderschule auf' die Reise geschickt worden und ist ohne nennenswerte Probleme bereits nach 2 Tagen in Neiße angekommen.

Wir sind dem LKW mit zwei privaten VW-Bussen und einem Kombi nach Polen gefolgt, um die Verteilung der Sachen selbst vorzunehmen.  In unseren Autos haben wir noch viele Spenden mitgenommen, die beim offiziellen Transport nicht mitgeführt werden durften, so z.B. Schuhe, 10 Bananenkartons voll Süßigkeiten, ein Kopierer für die Sonderschule und kleine Haushaltsgeräte. Da wir inzwischen alle Formalitäten kennen, die wir an der Grenze und beim Zoll- bzw. Finanzamt erledigen müssen, konnte unser Transport bereits am Donnerstag, dem 02. 10., in der Schule für behinderte Kinder in Neiße ausgeladen werden.

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Wir haben dafür einen Gymnastikraum zur Verfügung gestellt bekommen. Die Schulleitung hat uns zu einem offiziellen Besuch in die Schule eingeladen. Wir wurden mit Bigos (einer polnischen Spezialität), Kaffee und Kuchen verwöhnt.  Nach dem Essen haben wir die Schule besichtigt.

Es ist eine Sonderschule für Kinder aus der Umgebung von Neiße. Da die Finanzen in Polen sehr knapp sind, fehlen an vielen Schulen Gelder, um die nötigsten Dinge zu kaufen. In Neiße arbeitet zum Glück ein Team von besonders engagierten Lehrern. Vor einigen Jahren bauten sie in Ihrer Freizeit in Eigenregie ohne offizielle Genehmigung zusätzliche Räumlichkeiten für die gehbehinderten Kinder und Rollstuhlfahrer, für die erst so der Zugang zu dieser Schule möglich wurde. An die Schule ist ein Internat angeschlossen, in dem die Kinder wohnen, die von weit herkommen, aus schwierigen Familienverhältnissen stammen oder keine Eltern mehr haben. Die Ausstattung ist hier sehr ärmlich.

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Es fehlt an Mobiliar, an Decken und Plumeaus. Statt des längst fälligen Anstrichs, hängen bunte Kinderbilder an den Wänden. In den Klassenzimmern fehlen geeignete Tische und Stühle.

Was aber direkt auffällt, ist die große Herzlichkeit, mit der Lehrer und Kinder miteinander umgehen. Als wir zum Kaffee in der Schule eingeladen waren, klopften die Kinder dauernd, um die Lehre nach belanglosen Dingen zu fragen. Schließlich meinte der Direktor: „Kommt doch rein und holt Euch ein Stück Kuchen - auch für die, die jetzt noch hinter der Tür stehen. Darum geht es Euch doch, oder?“. Wir mussten alle lachen. Das gesamte Spielzeug und die Süßigkeiten ließen wir in der Schule. Wir durften die Freude und das Staunen über die unerwarteten Gaben miterleben.

Die Kleider wurden an die Familien der Kinder und an andere vom Hochwasser besonders betroffene Familien gegeben. Obwohl wir glaubten, mit den 4 Tonnen Kleidung jede Menge mitgebracht zu haben, waren die Sachen im Handumdrehen verteilt. Es gab viele lachende Gesichter und dankbare Worte.

 

Für AK Polenhilfe - Leszek

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