Dein Wille geschehe (9. Sonntag im Kirchenjahr 2002)
Dein Wille geschehe, bete ich im Vaterunser.
Ich bete es jeden Tag. Und so hat ich mir dieser Satz tief eingeprägt: Dein Wille geschehe. Lange Zeit habe ich das passiv verstanden, im Sinne von: den Willen Gottes über sich ergehen lassen, ihn ertragen, ihn annehmen. Wenn etwas Schlimmes passiert ist, versuche ich zu sagen: dein Wille geschehe. Das geht natürlich nur mit viel Gottvertrauen. Im Schmerz zu sagen: dein Wille geschehe – da muss ich schon tief überzeugt sein, dass Gott mein Bestes will. Mir hilft das Vorbild Jesu am Ölberg: Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe.
Das heutige Evangelium ruft uns dazu auf, die Sache mit dem Willen Gottes nicht nur passiv zu verstehen. Handeln! heißt die Parole. Nach dem Willen Gottes handeln – das ist die Botschaft dieses Evangeliums. Nicht wer zu mir sagt: Herr, Herr, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt.
Was will Gott von mir? Und wie kriege ich das raus? Die große Linie ist mir klar: das sind die Gebote und vor allem das Hauptgebot der Liebe. Jesus hat die Wichtigkeit der Gebote und des Hauptgebotes der Liebe betont. Doch vor den großen und kleinen Entscheidungen des Alltags komme ich damit oft nicht hin. Jeder Mensch ist einmalig. Es gibt den einmaligen Willen Gottes für mich als einmaligen Menschen in meiner einmaligen Situation – und die kann sehr verzwickt sein. Gott, was soll ich tun? Was ist dein Auftrag für mich? Was ist dein Auftrag für mich heute? Das muss ich mit Gott im Gebet besprechen, meine Entscheidungs-Möglichkeiten in mein Gebet hineinhalten.
Jetzt möchte ich eine Zwischenbemerkung machen. Nach dem Willen Gottes fragen für mich, jetzt und heute, nach dem Willen Gottes fragen ist ziemlich exotisch. Ein Mensch, der nach heutigem Empfinden entscheidet, fragt nur: Was bringt mir das? Was hab ich davon? Was kriege ich dafür? Zu fragen: was will denn Gott – das liegt nicht gerade in der Luft; es klingt eher ein bisschen verrückt. Doch wer Gott liebt, der wird genau das fragen: Gott, was erwartest du von mir? Das ist auch zwischen liebenden MENSCHEN so. Wer einen Menschen liebt, wirklich liebt, der wird immer wieder fragen: was erwartet der jetzt von mir. Und wenn man‘s genau wissen will, dann muss man ihn selbst danach fragen.
Nach Gottes Willen fragen, Gott nach seinem Willen fragen – Jesus hat es immer wieder getan. Immer wieder hat er sich zum Gebet zurückgezogen, um sich mit seinem Vater zu besprechen und sich in seinen Willen einzustimmen. Nach Gottes Willen fragen und ihn erfüllen: Jesus sagt im heutigen Evangelium, dass das KLUG ist. Unser Leben bekommt Fundament. Wer Gott dem Allerhöchsten traut, der hat auf keinen Sand gebaut.
Aber da ist noch ein Gedanke, der mich beflügelt. Gott liebt seine Welt. Er will sie erneuern – und wir dürfen dabei seine Mitarbeiter sein. Gott will nicht nur für uns persönlich das Beste, er will es für die ganze Welt. Um sich selbst und seine Vorteile kreisen, das macht eng. Mitarbeiter der Liebe Gottes sein, das macht weit; und es macht glücklich. Seinen Willen erfüllen, das macht auch uns zu erfüllten Menschen.
Dein Wille geschehe, beten wir im Vaterunser. Ich bin sicher: auch Ihnen hat sich dieser Satz tief eingeprägt. Dein Wille geschehe. Und es geht nicht nur um geduldiges Sich-Fügen; es geht um Handeln. Ich lade Sie ein, sich in der Stille zu fragen:
Gott, was erwartest du von mir?
Was ist dein Auftrag?
Was soll ich tun?