Was bedeutet Ihnen, Ihnen persönlich, Ihre Pfarrkirche? (19. Sonntag im Jahreskreis 2002)
Was bedeutet Ihnen die Pfarrkirche für Ihr persönliches Gebet?
Natürlich ist die Kirche zunächst mal Treffpunkt der Gemeinschaft, Ort des gemeinsamen Betens, Ort der gemeinsamen Eucharistiefeier, Ort des gemeinsamen Dankens, Lobens und Bittens. Gott liebt die Gemeinschaft, so haben wir ihn durch Jesus kennengelernt. Gott liebt die Gemeinschaft, und das Gotteshaus ist darum immer zuerst Haus der Gemeinschaft.
Doch hat dieses Haus ja auch eine Bedeutung für meine persönliche Frömmigkeit, für mein persönliches Gebet, für die Zwiesprache zwischen mir und meinem Gott. Viele Menschen setzen ja g a n z auf die ganz persönliche Gottesbeziehung, auf die einsame Zwiesprache mit Gott, auf die private Frömmigkeit. Sie möchten die Bedeutung der G e m e i n s c h a f t für ihr Leben mit Gott nicht gelten lassen und sagen entsprechend: ich brauche zum Beten keine Kirche; ich kann auch allein beten, zu Hause oder im Wald. Die häusliche Frömmigkeit; die innige persönliche Gottesbeziehung; mit Gott allein sein; das Gebet im stillen Kämmerlein – wahrhaftig, das ist ein kostbares Gut. Glücklich, zu dessen Lebensstil dieser vertraute Umgang mit Gott gehört, und er sollte in der Tat das Herzstück des christlichen Lebens sein.
Das Vertrautsein mit Gott im Alltag, das tägliche Zwiegespräch mit ihm im stillen Kämmerlein, aus der ganz persönlichen Beziehung zu Gott leben - das ist ein hohes Ideal. Man kann es für sich propagieren. Man kann davon schwärmen. Doch mal ganz davon abgesehen, ob Gott das so will: kann man es auch realisieren? Realisieren aus sich, aus eigener Kraft, ohne die anderen?
Ja, wie steht es denn mit der häuslichen Frömmigkeit? Wie klappt es denn mit dem täglichen Gebet? Was ist mit Tischgebet? Mit Morgengebet? Mit dem Steuern des Lebens aus der ganz persönlichen Verbundenheit mit Gott?
Ich kann in niemanden hineinschauen. Und ich freue mich über jeden, dem die innige Gottesbeziehung gelingt. Gottes Liebe und Gottes Walten kennt keine Grenzen.
Aber wenn ich von mir ausgehe: ich brauche für mein Leben mit Gott auch das Gotteshaus, die Pfarrkirche. Meine Pfarrkirche. Ich weiß nicht, ob ich mehr oder weniger ausgeliefert bin an die drängenden Forderungen und die wirbelnden Eindrücke des modernen Lebens. Ich vermute mal eher, dass ich das ähnlich erlebe wie alle anderen auch. Ich atme ja die gleiche Luft und bin dem gleichen Zeitgeist ausgesetzt. Wenn ich von mir ausgehe und dem, was ich von vielen anderen weiß, dann wage ich, ganz allgemein zu sagen: dass es schwer ist, im modernen Alltag seine Seele zu Gott zu erheben. Dass es schwer ist, im Alltag im Kontakt mit Gott zu sein. Dass es schwer ist, im Alltag eine solide Gottesbeziehung zu leben. Zu viel anderes lenkt uns ab. Zu viel anders zieht uns weg. Zu viel anders schlägt uns in Bann. Wie oft habe ich das schon gehört: "Ich komme erst hier in der Kirche zu Besinnung." "Ich komme erst hier in der Kirche dazu, meinen Alltag im Licht Gottes zu sehen." "Die Nähe, die Gott mir im Alltag gibt – erst hier in der Kirche wird sie mir bewusst, und darum kann ich hier auch am besten Gott danken und neuen Mut schöpfen." Es sieht so aus, als habe auch das ganz persönliche Gebet hier in der Kirche die besten Chancen.
Wenn das so – oder so ähnlich – für viele stimmt – woran mag das liegen? Gewiss hat jedes Gotteshaus, hat jeder geweihte Raum die Ausstrahlung von Geborgenheit und Gottesnähe. Aber bei unserer Pfarrkirche kommt noch etwas hinzu. Es ist dieser Altar, vor dem wir so oft knien. Es ist dieser Ambo, von dem wir immer wieder die Frohe Botschaft hören. Viele von Ihnen sind hier getauft worden und sind hier zur Erstkommunion gegangen. Viele haben vor diesem Altar den Bund fürs Leben geschlossen, viele haben ihr Kind hier zum Taufbrunnen getragen. Und mancher hat in seiner Trauer hier Trost erfahren. Die festen Mauern, starken Säulen und runden Bögen erinnern an Gottes Treue.
Unser Gotteshaus steht noch in dieser Welt. In unserer angeknacksten Welt. Darum gibt es darin auch Ärger, Langeweile, Enttäuschung und Empörung. Aber stärker ist für mich das Helle, das Aufbauende. Gottes Nähe drängt hier stärker an, wirft Licht in meinen Alltag, beflügelt mich, auch im Alltag Gottes Nähe zu suchen, auch im Alltag zu beten, Treue mit Treue zu erwidern.
Ich bin unsicher, ob Sie sich in solchen Erfahrungen wiederfinden können. Vielleicht erleben Sie vieles ganz anders.
Was bedeutet Ihnen, Ihnen persönlich, Ihre Pfarrkirche?