Predigt in der Christmette 2025

Maria antwortet dem Engel: Wie soll das geschehen? Sie kann sich keinen Reim darauf machen. Wie kann denn ein einfaches Mädchen, das noch nicht einmal verheiratet ist, einem solchen Menschen das Leben schenken?
Wie soll das geschehen, fragt sie.
Aber Gott vertraut ihr, er glaubt an sie.
Und dann kommt der Engel zu Josef, einem Handwerker, Zimmermann aus Nazareth. Maria ist mit ihm verlobt, die Hochzeit steht noch aus.
Maria ist schwanger, Josef beschließt, sich in aller Stille von ihr zu trennen.
Der Engel bittet Josef, ihm und Maria zu vertrauen. Und Gott vertraut auf Josef. Er soll dem Gottessohn auf Erden ein guter Vater sein.
Und Josef vertraut Gott, so wie Gott auch ihm vertraut.
Gott vertraut Maria und Josef, die beiden vertrauen Gott, auch wenn dieses Vertrauen von
Anfang an auf eine harte Probe gestellt wird.
Da soll der Immanuel, der Gott-mit-uns zur Welt kommen, und dann wird die Zeit rund um die Geburt des Kindes zum Hindernislauf.
Der Kaiser ordnet eine Volkszählung an, weshalb Josef mit seiner hochschwangeren Maria 160 Kilometer zu Fuß von Nazareth nach Bethlehem reisen muss. Das ist kein Spaziergang, das ist ein Himmelfahrtskommando.
Uns als die beiden endlich ankommen, die Geschichte ist bekannt, ist nirgendwo ein Bett für sie frei. Am Ende finden sie einen Stall auf freiem Feld, den sie sich mit den Tieren teilen.
Das ist vielleicht der Moment, an dem die beiden an Gott und seinem Auftrag zweifeln. Ein Gottessohn wird doch nicht in einem Stall geboren! Das muss ein Palast sein, ein fürstliches Ambiente, umgeben von vielen, die ihre Freude an dem wunderbaren Geschehen teilen. Stattdessen ist es eine Weide voller Schafe, ein kleiner Unterstand, der nur unzureichend vor Wind und Wetter schützt, ganz zu schweigen von der Hygiene, die bei einer Geburt doch so wichtig ist, aber hier völlig fehlt.
Vielleicht sind Maria und Josef nach der Geburt Jesu die Augen aufgegangen. Die Weihnachtsbotschaft erzählt von vielen Engeln, einem großen himmlischen Heer, und von den einfachen Hirten, die bei ihren Schafen wachen.
Das Kind, das im Stall geboren wird, ist kein König für Könige oder Bewohner von Schlössern und Palästen. Dieser König ist vor allem für die Armen, die am Rande, die Ausgestoßenen da. Er wird die Ausgestoßenen heilen, Aussätzige rein machen, Blinde sehend und Lahme gehend machen. Er wird zu den Zöllnern und Sündern gehen und ihnen Hoffnung machen, er wird sich viele Freunde machen, aber auch Feinde.
Später sagt dieser König sogar, sein Königtum sei nicht von dieser Welt.
Nach der Geburt kommen die Engel, die Hirten, kurz darauf die Sterndeuter, die unsere Legende zu Königen macht. Und Maria und Josef haben wieder allen Grund, Gottes Worten zu vertrauen. Und Gott hat allen Grund, Maria und Josef zu vertrauen, die trotz der schwierigen Zeit und Situation ihr Vertrauen in ihn nie verloren haben.
Gott vertraut uns völlig. In Jesus vertraut er sich uns Menschen an, hat Vertrauen in Menschen, denen wir wohl kein Vertrauen schenken würden. In der Bergpredigt predigt er Feindesliebe, verlangt von uns, über unseren Schatten zu springen, neue Anfänge zu wagen, sich womöglich auszuliefern.
Jesus wird seinen Jüngern völlig vertraut haben, auch Judas Iskariot, der ihn verraten hat. Und anstatt sich an den bösen Menschen zu rächen, besiegt er am Ende den Tod, damit das Fest einer Menschwerdung aktuell bleibt.
Dieser Jesus, der vor so vielen Jahren in Bethlehem geboren wurde, ist nicht tot, sondern er lebt.
Deshalb ist Weihnachten ohne Ostern nicht denkbar. Gott kommt, um zu bleiben. Für immer. Ein für alle Mal.
Und genau so unendlich wie Gott, der bei uns ist und bleibt, ist sein Vertrauen in uns, ein Vertrauen, das manchmal nicht rational zu verstehen ist.
Spätestens mit dem Karfreitag, mit dem Kreuzestod Jesu wäre nach menschlichem Ermessen das Experiment Menschwerdung, das an Weihnachten begonnen hat, beendet und gescheitert. Gescheitert am Vertrauensbruch.
Ostern spricht eine andere Sprache.
Gott ist Mensch, und wir werden ihn nicht los.
Weil er treu ist. Weil er uns vertraut. Manchmal sogar gegen jegliche Vernunft.
Gegen die alltägliche Binsenweisheit:
„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“
setzt er die Überzeugung:
Vertrauen ist alles.
Nichts ist mehr wert als Vertrauen.
Und er entzieht uns sein Vertrauen selbst dann nicht, wenn wir es nicht oder nicht mehr verdienen.
Vertrauen fehlt heute so oft, und an so vielen Stellen.
Uns fehlt das Vertrauen in die, die wir gewählt haben.
Uns fehlt das Vertrauen in die Kirche, die uns enttäuscht hat.
Uns fehlt das Vertrauen in Feinde, die Freunde waren.
Jungen Menschen fehlt das Vertrauen in die alten. Und den Alten fehlt das Vertrauen in die junge Generation.
Und mich wird der Verdacht nicht los, dass die Populisten, die Radikalen, die Autokraten und jene, die es werden wollen, diese Vertrauenskrise ausnutzen, wo sie nur können, um mit Macht, Einfluss und Geld eine andere Welt zu schaffen, in der niemand mehr irgendwem vertrauen kann.
Weihnachten ist das Fest des Vertrauens.
Und auch, wenn Vertrauen leider immer wieder enttäuscht werden kann, versuchen wir es immer neu.
Wenn wir vertrauen, machen wir uns verwundbar.
Im Stall von Bethlehem war das Jesuskind verwundbar, viel mehr als in einer gut gesicherten Herberge irgendwo im Ort.
Am Kreuz hat sich Jesus verwunden lassen, das war der teuer bezahlte Preis dafür, dass er Menschen vertraut hat.
Aber nur, wer verletzlich ist, nur wer sich ausliefert, kann wirklich geliebt werden.
Andere, die gerne Helden spielen, die daherkommen, als seien sie unverwundbar, werden womöglich bewundert, vielleicht auch verehrt, aber wer wirklich geliebt werden will, liefert sich aus, macht sich verwundbar, vertraut vielleicht sogar ohne Grund.
An Weihnachten feiern wir einen Gott, der sich uns ausliefert, weil er uns vertraut. Mag sein, dass wir ein so großes Vertrauen gar nicht verdienen.
Feiern wir gemeinsam Weihnachten als das große Fest des Vertrauens. Denn nur, wer vertraut, kann lieben.
Amen.