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Pfarrnachrichten des Seelsorgebereichs Hennef-Ost
Ein Blick über den Tellerrand – zu Besuch bei den Herrnhutern im dänischen Christiansfeld

Liebe Leserinnen und Leser,
der diesjährige Sommerurlaub führte mich und meine Frau an die Flensburger Förde – und im Rahmen eines Tagesausfluges über die dänische Grenze in den kleinen Ort Christiansfeld. Dort stießen wir auf ein UNESCO-Weltkulturerbe: eine im 18. Jahrhundert gegründete Siedlung der Herrnhuter Brüdergemeinde.
Die Gemeinschaft trägt ihren Namen vom Ort Herrnhut (i. S. v. “unter der Obhut des Herrn stehen”) in der Oberlausitz. Dort fanden im Jahr 1722 Glaubensflüchtlinge aus Böhmen und Mähren Zuflucht auf dem Gut des Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf – und gaben so der weltweiten Bewegung ihren Namen. Bis heute sind die Herrnhuter bekannt für ihre Losungen – Bibelworte für jeden Tag, die in vielen evangelischen Denominationen gelesen und meditiert werden. Auch der weltbekannte Weihnachtsstern mit seinen mindestens 25 Spitzen ist eine Kreation der Herrenhuter aus dem späten 19. Jahrhundert.
Besonders beeindruckend war der Besuch in der Kirche der Brüdergemeinde: Der enorm große Kirchenraum ist ganz schlicht! Weiße Wände, weiße Bänke, keinerlei Bilder oder Skulpturen, nicht mal ein Altar – rein gar nichts, was den Blick ablenken könnte. Im Zentrum steht nur ein etwas größer geratenes Rednerpult, von dem aus die Bibel verkündet und ausgelegt wird. Für das gelegentliche Abendmahl wird lediglich ein kleiner Tisch in den Kirchenraum getragen; ein besonderes Priesteramt kennt man nicht.
Auch interessant: Das einzige Symbol im Raum ist ein unscheinbares, kleines Kreuz – nur etwa 20 cm groß, befestigt an der Rückenlehne des ungepolsterten Stuhles, auf dem der Leiter des Gottesdienstes Platz nimmt. Gerade diese Zurückhaltung drückt die geistliche Haltung der Herrnhuter aus: Jesus und sein heiliges Wort stehen im Mittelpunkt – aber ohne jeglichen Prunk, ohne jede optische Ablenkung, ganz schlicht – nach dem Motto „Dein Wort ist meinem Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade.“ (Ps 119,105) Für uns römisch-katholische Christinnen und Christen mag es fremd wirken, eine Kirche ohne Altar, Bilder und Skulpturen zu betreten.
Und doch kann ein Besuch wie in Christiansfeld ein Anstoß zum Nachdenken sein: Was trägt unseren Glauben wirklich? Worauf richtet sich mein eigener, persönlicher Blick im Gotteshaus? Und wie kann Schlichtheit helfen, das Wesentliche – Christus selbst – neu in
den Mittelpunkt zu rücken? So kann der hinterfragende “Blick über den Tellerrand” unseren eigenen Glauben bereichern und vertiefen.
Eine Frage an Sie: Haben Sie selbst schon einmal eine Kirche oder einen Gottesdienst erlebt, der ganz anders war als das, was Sie
gewohnt sind? Welche Eindrücke haben Sie daraus für sich selbst mitnehmen können?
Ihr Diakon Matthias Linse