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Ich mag das, wenn Gott mir Zeichen gibt. (3. Sonntag der Osterzeit 2020)

2020-04-25_Corona-Predigt
Datum:
26. Apr. 2020
Von:
Christoph Jansen

Liebe Christen,

zwei Wochen lang habe ich nichts gesagt, geschwiegen, aber jetzt traue ich mich. Ich war nämlich für einige Stunden fest davon überzeugt, den schlimmsten Fehler meines Lebens begangen zu haben. Und ich habe mit keinem darüber geredet.

Genau vor zwei Wochen, am Ostersonntag, habe ich gemeinsam mit unserem Diakon Matthias überlegt, dass es schön wäre, die Osterkommunion in der Kirche auszuteilen. Viele haben den Empfang des heiligen Sakraments schmerzlich vermisst und hatten darum gebeten, außerdem hatte die Bonner Münsterpfarre ein ähnliches Angebot.

Es sind eine ganze Menge Leute gekommen, viele ältere und auch einige mit Vorerkrankungen. Niemand hatte einen Mundschutz an, auch ich nicht, wir haben versucht, auf Abstand zu bleiben. Die Kommunionausteilung erfolgte mit einer Hostienzange, um körperliche Berührungen zu vermeiden, und viele waren dankbar und froh, in dieser Zeit den Leib Christi empfangen zu können.

Am Abend ging es mir auf einmal nicht gut. Das kam aus heiterem Himmel. Nachmittags beim Kommunionausteilen war davon noch nichts zu spüren. Mir war furchtbar kalt, nur der Kopf war am Glühen. Ich kam auf die Idee, Fieber zu messen und das Thermometer zeigte knappe 39 Grad an. Ich dachte sofort: Jetzt hat es dich erwischt.

Aber mein erster Gedanke war nicht: Wie geht es jetzt weiter mit mir, sondern: Ausgerechnet heute, wo du so vielen Menschen beim Kommunion austeilen nahegekommen bist. Und alle, die mir nachmittags begegnet sind, kamen in meinen Gedanken noch mal vorbei. Hatte ich sie angesteckt? Hatte ich ihnen den Tod gebracht? Ich war völlig am Boden, ging früh ins Bett, war fix und fertig, hab noch gebetet: Lieber Gott, lass das jetzt nicht wahr sein, schütze die Menschen, denen ich begegnet bin, lass das Unglück nicht zu.

Am nächsten Morgen, am Ostermontag, war das Unwohlsein und auch das Fieber bei mir wie weggeblasen. Ich war wieder topfit und der Livestream vom Ostermontag konnte kommen. Auch war von denen, die immer hier in der Kirche sind, Maria Merten, Andreas und sein Team, keiner krank und langsam konnte ich mich beruhigen. Falscher Alarm. Gott sei Dank. Keiner ist infiziert.

Ich mag das, wenn Gott mir Zeichen gibt. Im Nachhinein jedenfalls. Vielleicht wollte er mir eine Lehre erteilen. Tu das nie wieder! In Coronazeiten ist das viel zu gefährlich! Wie verheerend und schlimm wäre es gewesen, wenn das Allerheiligste, das wir empfangen, nicht nur die Verbundenheit mit Christus, sondern gleichzeitig diese gefährliche Erkrankung bringt? Das große Zeichen des Heils würde zum Zeichen des Unheils. Das so wichtige Zeichen der Kommunion ginge nach hinten los.

Und jetzt kommt der drängende Wunsch, endlich wieder Gottesdienste mit Gemeinde zu feiern, mitten in der Pandemie. Mit Sicherheitsvorkehrungen, aber doch in der Kirche, und natürlich mit Kommunionausteilung. Nach meinem Erlebnis am Abend des Ostersonntags ist mir klar, dass das keine gute Idee ist.

Wir sollten nichts überstürzen und ganz vorsichtig sein mit solchen Plänen, zumal das Fest der Gemeinschaft, die communio, nur ganz schwer gelingen kann, wenn alle ganz konzentriert darauf achten müssen, dem Nächsten bloß nicht zu nahe zu kommen. Communio, das heißt Gemeinschaft, Mahlgemeinschaft. Jesus isst heute im Evangelium Brot und Fisch mit den Jüngern, er nimmt die Speisen in die Hand, teilt sie aus, und alle werden satt.

Aus heutiger Sicht verstößt Jesus in sehr kurzer Zeit gegen mehrere Coronaregeln. Corona stellt unser Leben, aber auch unsere Feier des Glaubens auf den Kopf. Wirkliche Gemeinschaft mit ihm und miteinander kann es in den Zeichen, die Jesus selber gestiftet hat, erst dann wieder geben, wenn das Leben in physischer Gemeinschaft wieder möglich ist. Sonst wird das Sakrament zur hohlen Gewohnheit, die wesentliche Teile der frohen Botschaft ausklammert.

Jesus ist zu den Armen, den Kranken und den Alten gegangen und hat sie getröstet, gestärkt und geheilt. Wenn wir mit Jesus in diesen Tagen demnächst wieder das Mahl feiern, müssen wir den Kranken und den Alten aber vorher: Kommt nicht vorbei, das ist gefährlich und leichtsinnig. Ihr seid Risikogruppe. Schon mit dieser Einschränkung wird das Mahl der Gemeinschaft zur Farce.

Liebe Christen, wir sind mitten drin in einer Notzeit, in einer Zeit voller Entbehrungen. Die Bibel, besonders das Alte Testament, kennt viele Zeiten wie diese. Vielleicht sind wir wie das Volk Israel in die Wüste hineingezogen, Hals über Kopf und erst einmal ohne Ziel. Und jetzt geht es uns allmählich so wie den Israeliten, die gegen Mose murrten und ihn beschimpften. Dabei war das Volk Israel nie allein, sondern Gott war bei ihm, und nach vielen Jahren schenkte er den Menschen das gelobte Land, ein Land, in dem Milch und Honig fließt, eine Zukunft voller Träume und Hoffnung.

Auch wir sind nicht allein, selbst wenn dieses kleine Stück Brot uns für eine gewisse Zeit verwehrt bleibt. Das Manna in der Wüste war die Ausnahme, nicht die Regel. Eucharistie ist ein Geschenk, auf das wir keinen Anspruch haben. Und ich bitte inständig darum, mich nicht zu beneiden, wenn ich gleich – für alle sichtbar – Leib und Blut Christi kommuniziere. Ich tue es nicht für mich, ich tue es für euch alle. Nicht um mich zu heiligen, sondern um euch allen zu zeigen, dass Christus, der Auferstandene, heute mit uns durch diese Wüste geht, so wie es Gott selber damals beim Auszug aus Ägypten mit seinem Volk gemacht hat.

Wir sind nicht allein, auch dann nicht, wenn die heilige Kommunion nicht von allen empfangen werden kann in diesen Zeiten. Vielleicht bieten wir demnächst Messen an, an denen die Gläubigen teilnehmen dürfen. Ich weiß es noch nicht. Es ist ja der innige Wunsch unseres Erzbischofs und einiger anderer. Aber solange wir Abstandsregeln und Begegnungsverbote brauchen, um nicht krank zu werden, bleibt die Gemeinschaft, die wir feiern, Stückwerk, weil der Bezug zur momentanen Realität fehlt. Deshalb bleiben solche Messen die Ausnahme, sie werden nicht zur Regel. Feste des Glaubens kann man so nicht feiern.

Ich weiß, dass unsere Geduld in dieser Zeit auch bei dieser Thematik auf eine harte Probe gestellt wird. Aber auf keinen Fall dürfen wir zulassen, dass das heiligste Zeichen, das wir haben, das Sakrament der Eucharistie, zum Überträger einer schlimmen Krankheit und so zum Werkzeug des Bösen wird.

Umso größer wird die Freude sein, wenn unsere Kirchen wieder gefüllt sein dürfen mit Menschen, die gemeinsam beten und singen, die zusammen ein Fest des Glaubens feiern. Ich weiß nicht, wann es so weit ist, aber der Tag wird kommen. Und dann ist noch einmal Ostern, Auferstehung, Neuanfang.

Amen