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Bödingen:600 Jahre Kompassionsfest in Bödingen

„Ach, was ist das schön hier, das wusste ich ja gar nicht! Das ist ja wie eine Oase hier! Das tut einfach nur gut!“ So oder so ähnlich sagen es immer wieder Leute, die zum ersten Mal den Weg nach Bödingen gefunden haben.
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Datum:
11. Feb. 2024
Von:
rf

Bödingen ist natürlich ein alter Marienwallfahrtsort, zu dem bis heute immer wieder Menschen mit ihren Sorgen und Anliegen kommen oder einfach mal wieder in der Stille, in Gebet oder Gottesdienst ihre Seele auftanken wollen.

Es geht aber noch weit darüber hinaus. Im Siegtal gelegen und in einem Landschaftsschutzgebiet, wie auch am Rand eines Naturschutzgebietes bietet sich Bödingen an, hier einmal „die Seele baumeln zu lassen“. Laufen hier doch auch der Wanderweg „Natursteig Sieg“, der Radwanderweg durchs Siegtal, einer der 19 Erlebniswege rund ums Siegtal (hier Marienweg) vorbei.

Natur, frische Luft bei häufig gutem Wetter lassen Menschen zur Ruhe kommen, ein wenig „Wellness“ genießen in dem oft stressigen Alltag. Entdecken kann man auch als Kultur- oder Kunstinteressierter die spätgotische Kirche mit dem Fundationsbild des Klosters oder einfach nur die Stille des Kirchenraumes genießen, vielleicht als Ausflugsziel in der Region am Wochenende. Auch von den zahlreichen Bikern, die durchs Siegtal fahren, findet sich schon mal der eine oder die andere zu einem lohnenswerten Zwischenstopp in Bödingen ein.

In einer Zeit und einer Welt, in der wir alle miteinander nicht nur vor sogenannten Herausforderungen in vielen Bereichen des Lebens, sondern tatsächlich vor gewaltigen Problemen stehen und dies nicht selten einigermaßen rat- oder hilflos, wird es nicht nur wichtiger, sondern geradezu existenziell, nach dem „Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir?“ auf eine neue Weise zu fragen oder zu forschen.

Bildlich ausgedrückt sollten wir uns einen höheren Standort suchen, von dem aus wir einen Überblick bekommen können, über unseren ansonsten etwas beschränkten kleinen Horizont hinausblicken können, um den Horizont massiv zu erweitern. Zweitens sollten wir in die Tiefe gehen, gewissermaßen „Tiefenbohrungen“ vornehmen, um festzustellen, auf welchen Fundamenten wir stehen, worauf wir denn bauen können. Insgesamt könnte dies, unterstützt von den Erfahrungen zahlreicher Generationen von Menschen vor uns, womöglich zum „Durchblick“ verhelfen.

Ich spreche letztlich vom Glauben an einen Gott der Liebe, welcher in Wort, Mystik, Musik, Kunst und Kultur Ausdruck gefunden hat und den vielen Fußspuren Gottes in seiner Schöpfung samt moderner Technologien unserer Zeit, die uns Wege eröffnen können für die Zukunft in unserem 21. Jahrhundert.

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So wollen wir etwa mit den Fastensamstagen in Bödingen, mitgestaltet durch Chöre der Region, dem Kompassionsfest, den Angeboten an Predigten, der Willkommenskultur unserer Wallfahrtskirche für Gruppen, Wallfahrt oder ausführliche Kir­chen­führungen, der sehr großen, aussagekräftigen und sehr beliebten natürlichen Krippe mit biblischen Symboltieren, neun Jahre lang „Son et Lumière“ den Faden demnächst weiterspinnen mit einigen weiteren einladenden Angeboten und Akzenten für Menschen unserer Zeit.

Die Termine finden Sie in der Gottesdienstliste.

In diesem Jahr steht das Gedenken an 600 Jahre Kompassionsfest in Bödingen im Mittelpunkt, in Verbindung mit der Klostergründung 1424 der Augustinerchorherren, die die Wallfahrt zur schmerzhaften Mutter und dieses zentrale, der Pietà zugehörige Fest ca. 380 Jahre gepflegt haben. Das sogenannte Kompassionsfest wurde als „Fest der Verehrung der Betrübnis und Schmerzen Mariens unter dem Kreuz“ gefeiert, das Erzbischof Dietrich von Moers 1423 für die Kölner Kirchenprovinz angeordnet hat. Dieses so genannte Kompassionsfest am 4. Freitag nach Ostern galt neben Maria Heimsuchung (2. Juli) und 3 Könige (6. Januar) als das höchste Fest. Der Erzbischof pilgerte 1425 nach Bödingen und traf dort mit Herzog Adolf VII. von Berg zusammen. Der Landesherr schenkte gar Reliquien des heiligen Gereon und seiner Gefährten aus seiner Burg in Düsseldorf. (Quelle: Rheinische Kunststätten, S. 6, von Werner Beutler und Helmut Fischer) Im Buch „Bödingen ist eine Wallfahrt wert“ von Pater Gabriel Busch aus Siegburg steht auf Seite 282: „... hatte das Kölner Provinzial-Konzil von 1423 für die ganze Kirchenprovinz auf den 4. Freitag nach Ostern ein besonderes Fest der Betrübnis und Schmerzen Mariens unter dem Kreuz (Kompassionsfest) - es ist noch heute das höchste Fest des Jahres in Bödingen - angeordnet. Papst Martin der V. ordnete 1424 für die gesamte katholische Kirche dieses Fest am 4. Freitag nach Ostern an.“ Es wird nur noch in Bödingen begangen.

Anders als etwa im Englischen und Französischen ist das lateinische Wort „compassion" im Deutschen nicht mehr gebräuchlich. Bedeutet es auf Deutsch umgangssprachlich Mitleid, so kommt es dem Inhalt „Mit-Leiden“ sehr viel näher. Maria leidet mit ihrem Sohn, erlebt die Passion ihres Sohnes mit, und das in jeder Hinsicht. Ausdruck ist dann die Pietà, das Gnadenbild der schmerzhaften Mutter (Darstellung ab 1300 üblich). Stigmatisierte Menschen wie der heilige Franziskus, Pater Pio und Therese von Konnersreuth aus unserer Zeit haben dieses Mitleiden bis hin zu den Wundmalen Jesu an ihrem Körper erlebt und schmerzlichst erlitten.

Hier geht es nicht etwa um Sadismus oder Masochismus, sondern um das innigliche Verbundensein, die Teilhabe am zur Rettung der Menschen notwendigen Kreuzesleiden Jesu Christi, von dem Paulus ja im Neuen Testament schreibt. Es geht quantitativ und vor allem qualitativ weit über etwa Solidaritätsbekundungen hinaus. “Kom-Passion“ ist mit-leiden, mit-empfinden, mit-sorgen, mit-fragen, mit-gehen, mit-aushalten. So gesehen trifft die Kompassion heute sozusagen eine Marktlücke, bei dem, was wir heute an Hass und Hetze im Internet, steigender Aggressivität etc., an fehlender Empathie und Erziehung dazu in unserer Gesellschaft erleben, wo Sätze dominieren wie z. B.: „Lass dir nichts gefallen. Nimm, was du kriegen kannst. Amerika (und anderes) first.“

Im Nachwort zum neuen Standardwerk über die französische Dichterin und Autorin, Sozialarbeiterin und Mystikerin Madeleine Delbrêl heißt es: “Das Interesse an Madeleine Delbrêl (1904-1964) wächst; sie trifft offenkundig einen Nerv der Zeit. Ihr facettenreiches, authentisches Leben hat Vertreter der Kirche wie Marxisten, Gläubige wie Atheisten verwundert und beeindruckt. Die glühende Atheistin fand zu einem lebendigen Glauben und zog in die Pariser „Banlieue“. Sie wollte „Leiden lindern“ und Zeugnis geben von einer Menschlichkeit, die über das „nur Menschliche“ hinausgeht.

So passt die Eröffnung des Sibilla-Hospizes gerade hier in Sichtweite der schmerzhaften Mutter und das im Jubiläumsjahr des Kompassionsfestes hervorragend zusammen.