Zum Inhalt springen

Woran sollen wir glauben? (Ostersonntag 2020)

2020-04-11-_Osternacht-2020-234.jpg_696118261
Datum:
12. Apr. 2020
Von:
Christoph Jansen

Woran sollen wir glauben?

Am Tag der Auferstehung kommen einige Menschen zum Grab. Erst kommt Maria aus Magdala. Sie findet das leere Grab, aber das allein ist kein Beweis für die Auferstehung. Also läuft sie zu Petrus und Johannes und berichtet ihnen, dass der Leichnam Jesu weggenommen wurde und man nicht weiß, wohin er gelegt wurde.

Dann laufen die beiden Jünger zum leeren Grab.  Sie stellen sich genau diese Frage. Woran sollen wir glauben? Ist Jesus auferstanden? Oder hat jemand seinen Leichnam gestohlen? Es ist wie so oft. Wir erfahren etwas, aber nichts Genaues. Wir legen uns zurecht, was das bedeuten könnte. Und irgendwann glauben wir anhand eines möglicherweise schwachen Hinweises, was wir uns selber ausgedacht haben.

Das war damals so und das ist heute genau dasselbe. Die einen glauben, dass Gott die Menschen endgültig im Stich gelassen hat, als er die Pandemie über die Erde kommen ließ. Andere sagen, Gott hat mit der Sache überhaupt nichts zu tun, es sind die Menschen, die um die ganze Welt reisen und so eine Erkrankung auf dem ganzen Erdball verteilen. Wieder andere sagen, Gott war ihnen noch nie so wichtig und so nahe wie jetzt.

Papst Franziskus sagt: Wir haben nicht auf den Schrei der Armen und unseres schwer kranken Planeten gehört. Wir haben unerschrocken weitergemacht in der Meinung, dass wir in einer kranken Welt immer gesund bleiben würden.

Was also erleben wir in diesen Tagen? Einen Gott, der uns verlassen hat? So sehr, dass sogar der Leichnam des verstorbenen Gottessohnes verschwunden ist? Einen Gott, der uns, wie Franziskus das intendiert, aufrütteln und uns eine schmerzliche Lehre erteilen will, damit wir uns endlich ändern angesichts der Armut und der leidenden Umwelt auf unserer Erde? Oder einen Gott, der uns gerade in dieser Zeit ganz nahe ist, uns nicht unserem Schicksal überlässt und für den es keine Sackgassen gibt, sondern immer einen Weg, der weitergeht?

Ich wünsche mir, dass uns Ostern eine größere Offenheit schenkt, wenn wir uns diesen Fragen stellen. Und dass Gott uns die Fähigkeit schenkt, seine Spuren in unserer Welt zu entdecken und richtig zu deuten.

Als Maria aus Magdala zum zweiten Mal sagt, man habe ihren Herrn weggenommen und sie weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat, steht Jesus auf einmal bei ihr. Auf diese Begegnung reagiert Maria direkt mit einem Vorwurf. „Wenn du ihn weggebracht hast, dann sag mir wenigstens, wohin“. Sie erkennt den Auferstandenen nicht, weil sie nur das glaubt, was sie sich zurechtgelegt hat. Und die Osterbotschaft passt nicht zu ihrer Theorie.

Aber dann bricht ihre Theorie ganz schnell zusammen, als der, den sie für den Gärtner hält, einfach ihren Namen nennt. Er sagt: „Maria“ – und Maria erkennt Jesus, den Auferstandenen. Gott hat auch uns beim Namen gerufen, angesprochen wie Maria. Auch, wenn wir ihn in unserer Welt und gerade in dieser schweren Zeit nicht erkennen, kennt er aber uns und lässt uns nicht allein.

Kommen wir aber zurück auf die Frage am Anfang. Was sollen wir glauben? Hat uns Gott allein gelassen? Will er uns eine Lehre erteilen? Oder ist er uns ganz besonders nahe in dieser Zeit?

Ich glaube alles drei. Wir fühlen uns von Gott allein gelassen. Er ist uns fremd geworden, so viele andere Dinge waren uns wichtiger. Und dann haben wir ihn einfach nicht mehr erkannt – wie Maria Magdalena ihn auch erst nicht erkannt hat. Und wie sie fühlen wir uns in dieser riesigen Krise, die an unsere Grenzen geht, von Gott und allen guten Geistern verlassen. Aber wie er sich der Maria zu erkennen gibt, indem er sie beim Namen nennt, zeigt er auch uns seine Nähe. Ich sehe viele Spuren Gottes in der Welt, wir sind nicht allein. Aber warum lässt er dann so etwas wie eine Pandemie zu mit so vielen Erkrankten und Toten?

Gott schenkt uns ganz viel Freiheit. Wir können ihn lieben oder ablehnen. Wir können die anderen Menschen lieben oder sie hassen. Gott zwingt uns nicht, das Richtige zu tun, er lässt uns unsere Freiheit.

Jetzt ist unsere Freiheit erheblich eingeschränkt. Nicht von Gott, sondern von den Mächtigen dieser Welt, die damit die Ausbreitung des Coronavirus verhindern wollen. Aber alle verstehen, dass dies jetzt der richtige Weg ist. Es ist ein Weg der Nächstenliebe, also ein Weg, der zur Botschaft Jesu unendlich gut passt. Vielleicht haben wir den Freiheitsbegriff überstrapaziert, einfach all das getan, was ging und wozu wir Lust hatten, ohne zu fragen, wem es nützt und wem es schadet.

Aber jetzt steht der Mensch im Mittelpunkt, sein Wohlbefinden, seine Gesundheit. Wirtschaftswachstum, rauschende Feste, der Urlaub am anderen Ende der Welt, all diese Dinge sind zweit- oder drittrangig geworden, damit die Schwachen, die Alten und die Kranken überleben können.

Warum sollte Gott uns nicht nahe sein, wenn sich die Werte, die wir vertreten, genau in Richtung Nächstenliebe verschieben? Er ist doch Anwalt der Armen, Kranken und Schwachen. Er lehrt uns doch, zu lieben. Und wenn Sie jetzt sagen, dass es immer noch Schönheitsfehler gibt, etwa die lebensbedrohlichen Zustände in den Flüchtlingslagern oder Machthaber, die immer davon überzeugt sind, alles richtig zu machen und die immer einen Schuldigen finden, wenn sie es verbockt haben, dann sage ich: Wir sind und bleiben Menschen. Und Menschen machen in ihrer Freiheit und mit ihren Möglichkeiten nicht alles richtig, und sie handeln auch nicht immer gut.

Aber was hier und heute passiert, wird dennoch auf Dauer dafür sorgen, dass Menschen besser, rücksichtsvoller und umsichtiger handeln. Und wenn wir da mitmachen, ist Gott auf unserer Seite, zeigt sich uns, nennt uns beim Namen.

Daran dürfen wir glauben.

Amen.