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Wen beruft Gott heute? ... (11. Sonntag im Jahreskreis 2002)

Datum:
16. Juni 2002
Von:
Heinz Büsching

Wen beruft Gott heute? Sie.

Wen sendet Gott heute? Sie.

Wenn Gott heute wenig Priester beruft und viele Laien, dann will er Sie auch. Die Meinung, alles in der Pfarre müsse vom Pfarrer ausgehen, die Laien seien nur Ersatz für ihn, Hiwis, Notnagel, diese Meinung ist nicht nur von vorgestern; sie war auch vorgestern schon eine Irrlehre. Wer in der Pfarre einen Dienst tut, tut ihn im Auftrag Gottes, von ihm gerufen und an seinen Platz gestellt. Und wer anders als Gott kann das Talent dazu geben, die Kraft und das Durchhaltevermögen.

Im kirchlichen Sprachgebrauch hat sich eingebürgert, das Wort "Berufung" den Priestern und Ordensleuten vorzubehalten. Ich halte das für eine Einengung; als wenn die Laien ihren Dienst im Reich Gottes als Freizeitspaß betrieben, als hätten nicht auch sie ihre Legitimation und ihre Würde von Gottes Ruf her. Nicht nur die Priester, auch die Laien tun in der Pfarre einen heiligen Dienst.

Dass das Leben unserer Pfarrgemeinde von den Laien getragen wird, von ihrer Tatkraft, ihren Ideen, ihrer Originalität und ihrem Sinn für das Gebot der Stunde – dass das Leben unserer Pfarrgemeinde von den Laien nicht nur getragen, sondern zum Blühen gebracht wird, das weiß jeder, der auch nur ein bisschen mit dem Leben unserer Pfarrgemeinde vertraut ist.

Wenn ich die Einsatzfreude, den Opfermut, den Ideenreichtum und die Beharrlichkeit der vielen Laien in der Pfarre sehe und auf mich wirken lasse, dann kann ich die Personalpolitik des lieben Gottes nur immer wieder neu bewundern. Der holt sich prima Leute. Wenn die gern mit den Hauptamtlern in der Pfarre zusammenarbeiten, dann ist auch das noch einmal Gnade, und wir wollen dabei keinen Augenblick vergessen, dass auch die Hauptamtler Angestellte Gottes sind. Gott führt die Regie, oder, mit den Worten Jesu: nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Schwestern und Brüder.

In Hennef leben viele Russland-Deutsche. Sie kommen aus Kasachstan, Kirgisien und Sibirien. Dort gab es jahrzehntelang keine Priester. Die waren längst verbannt oder ermordet. Es waren engagierte Laien, die getauft, die Kinder im Glauben unterrichtet, den Wortgottesdienst am Sonntag gehalten und christlich beerdigt haben. So, wie ich die Frömmigkeit dieser Russland-Deutschen erlebe, hat Gott durch zupackende Laien, ohne Priester, den Glauben bewahrt, den Trost des Glaubens geschenkt und eine tiefe Gläubigkeit bewirkt.

Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben. Da sagte er zu seinen Jüngern: die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Das war damals in Israel, als Jesus sein Wirken begann. Ist das auch bei uns so? Gilt das auch heute noch? Ich denke schon. Es sind noch zu wenig, die anpacken.

Wen beruft Gott heute? Sie.

Wen sendet Gott heute? Sie.

Haben Sie die Frage: welchen Auftrag gibt Gott mir? schon wirklich an sich herangelassen? Sie müssen nicht Kranke heilen und Tote auferwecken. Vielleicht erwartet Gott von Ihnen nur ein gutes Wort für jemanden in Ihrer Umgebung, einen Kartengruß, einen Telefon-Anruf, eine Handreichung, ein Stoßgebet für einen Kranken oder auch nur einen freundlichen Blick für einen Mutlosen, und der kann schon eine heilende und belebende Wirkung haben. Aber vielleicht wartet ja auch immer noch eine Aufgabe in der Pfarrgemeinde auf Sie.