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Wem begegnen Sie in Ihrem Geist? ... (Pfingsten 2002)

Datum:
19. Mai 2002
Von:
Heinz Büsching

Wem begegnen Sie in Ihrem Geist? Mit wem sprechen Sie im Geist? Mit wem haben Sie im Geist zu tun?

Da bin ich ziemlich sicher. Mit den Menschen, denen Sie im Alltag begegnen, beschäftigen sie sich auch im Geist. Nicht mit allen, aber doch mit vielen. Wenn Sie zum Beispiel gleich zu Hause im Lehnstuhl sitzen, dann sagen Sie vielleicht zu mir: "Pastor, du hast mal wieder über die Köpfe weg gepredigt." Sie sagen mir das nicht direkt, sondern im Geist. Und zu Ihrem Banknachbar, der in der Messe so falsch gesungen hat, sagen Sie: "Menschenskind, du hast dir aber einen abgekräht" – und auch das sagen Sie ihm natürlich nur im Geist und nicht von Angesicht zu Angesicht.

Im Geist können Sie übrigens auch Günter Jauch gegenübersitzen, ihm alle Fragen beantworten und Millionär werden. Im Geist können Sie sich auch von Rudi Völler in die Nationalmannschaft berufen lassen und beim nächsten Länderspiel 5 Tore schießen. Im Geist können Sie sich Arafat vornehmen oder Sharon oder sogar Präsident Bush. Im Geist kann sich auch Erfreuliches abspielen. Sie können einen geliebten Menschen in den Arm nehmen, sich eine schöne Landschaft anschauen, einen frohmachenden Gedanken bewegen oder sich von einer befreienden Idee beflügeln lassen. Im Geist öffnet sich uns die Weite der Welt.

Doch obwohl wir so erpicht auf Wahrheit sind – manchmal neigen wir auch dazu, uns im Geist die Welt so zurecht zu machen, wie wir sie gerne hätten, und manchmal tun wir ihr geradezu Gewalt an. Ich denke jetzt mal an die Menschen, die wir uns in unseren Geist holen. Wir nehmen sie ja nicht immer liebevoll in den Arm. Wir sprechen nicht immer freundlich mit ihnen. Oft schimpfen wir sie aus. Manchmal hauen wir ihnen eine runter, und gelegentlich schießen wir sie auf den Mond – wie gesagt: nur im Geist. Im Alltag läuft die Begegnung anders ab.

Wenn wir auf der Bühne unseres Geistes einmal unseren Ärger an einem anderen herauslassen, dann ist das zunächst mal natürlich. Es ist wohl auch unvermeidlich. Und ich sage jetzt: es ist sogar wichtig. Ein Wutanfall auf der Bühne meines Geistes macht mir eindrucksvoll bewusst, dass ich mit einem Menschen ein Problem habe.

Wenn ich an diesem Punkt angekommen bin, dann muss ich mich entscheiden: Bleibe ich beim Ärger? Bleibe ich beim Schimpfen? Verharre ich in meinem Ablehnungsverhalten? Oder versuche ich was anderes. Wohlgemerkt: wir sind immer noch bei dem, was sich in unserem Geist abspielt.

Was anderes versuchen. Vielleicht muss ich dieses Andere in mir aufspüren. Dazu kriege ich wohl auch einen Anstoß. Dieser Anstoß könnte bestehen in einem leisen Unwohlsein. Vielleicht merke ich auf einmal, dass ich mich nicht gut dabei fühle, wenn ich einen Menschen so abwerte, innerlich so anfeinde, so verdamme. Vielleicht spüre ich immer mehr, dass ich auch mit mir selbst nicht im Reinen bin, wenn ich mit einem andern innerlich im Krieg lege.

Was sich in mir da zu Wort meldet, ist guter Geist. Und guter Geist ist immer schon Heiliger Geist. Vielleicht meldet er sich nur sehr sanft, vielleicht weht er mir nur sehr behutsam etwas zu. Was könnte das sein, was er mir zuweht? Vielleicht: Überlass dich nicht dem Ärger. Versinke nicht darin. Versuche zu verstehen. Dich selbst und den anderen. Versuche zu verstehen, was passiert ist. Und frag auch nach deinen Anteilen.

Wenn ich so weit bin, dann ist der Heilige Geist schon mächtig in mir am Werk. Vielleicht wird aus dem Wehen ein Sturm, und ich erlebe mein persönliches Pfingstfest. Vielleicht kommen dann Gedanken des Friedens, Ideen für einen ersten Schritt, die Anregung, im andern das Kind Gottes zu sehen. Der Friede beginnt in meinem Innern, in meinem Geist, und wer einmal mit Schrecken festgestellt hat, wie sehr böse Gedanken in ihm rumoren, der weiß, wie sehr er auf Gottes Heiligen Geist angewiesen ist, auf sein Wehen und manchmal auf seinen Sturm.

Der Friede beginnt in meinem Innern, in meinem Geist. Was ist, wenn er da nicht beginnt? Ich kann es nur andeuten. Wenn ich im Ärger verharre, werde ich giftig und werde früher oder später auch Gift verspritzen. Kann ich etwas tun, um den Einfluss des guten Geistes in mir zu verstärken? Ja. Holen Sie die Menschen, mit denen Sie ein Problem haben, in Ihr Gebet. Beten Sie nicht nur für die Menschen, die Sie lieben, sondern auch für die, die Sie nicht leiden können. Aber vielleicht tun Sie das ja schon längst. Ob Sie es schon längst tun oder nicht – tun Sie es doch in dieser heiligen Messe. Am besten fangen Sie jetzt gleich damit an.