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Und da ziehen sich die Jünger zurück und beten (7. Sonntag der Osterzeit 2020)

Datum:
24. Mai 2020
Von:
Christoph Jansen

Liebe Christen,

was jetzt? Alles ist ganz anders gekommen. Jesus gestorben, dann auferstanden. Gott sei Dank. Jetzt im Himmel. Und die Jünger? Alleingelassen? Sie stehen da, allein, sehen zum Himmel empor. Eine neue Situation, ungewohnt, eine große Verantwortung.

Neue Aufgaben – aber wie sollen sie die anfangen? Was ist wichtig? Was kann warten? Zunächst wartet alles. Kein Aktionismus. Keine Hektik entsteht. Kommt mir irgendwie bekannt, aktuell vor.

Die Jünger ziehen sich zurück und beten. Nichts Großartiges tun sie – sie beten eben. Tage, vielleicht wochenlang. Ist das nicht genauso wenig das, was Jesus will wie dieses Emporschauen, von dem der Engel sie ab-hält? Ich glaube nicht. Im Gebet, sehen die Jünger nicht mehr nach oben, sondern zurück und nach vorn. Sie nehmen sich bewusst Zeit, um die neue Situation zu verstehen und zu verarbeiten.

Jeder von uns hat das schon einmal erlebt. Eine völlig neue Situation; Zusammenbruch des Vertrauten; eine neue Arbeitsplatzsituation; Versetzung; ein Kind, das – vielleicht unerwartet – ins Leben eindringt und es völlig verändern kann; Ruhestand; Arbeitslosigkeit; Verlust eines Vorbildes, eines Elternteils oder Ehe-partners; eine Krankheit, die das Leben verändert; eine neue Beziehung; Umzug; oder das Leben im Coronamodus.

Wie an Himmelfahrt die Jünger zum Himmel emporschauen und wie gelähmt sind, so kann uns die Aussicht auf völlige Veränderung lähmen, und manch einer sucht Zuflucht in blindem Aktionismus, in Hektik, weil noch so viel zu erledigen ist, bevor die neue Situation ins Leben eindringen darf.

Die Jünger ziehen sich zurück und beten. Das sollten wir auch. Die aktuelle Situation nutzen – Zum Beten – zur Ruhe kommen – dem Leben eine neue Richtung geben – uns Zeit nehmen, damit die neue Situation eine Chance hat in unserem Leben – damit es weitergeht, damit wir in der Gegenwart leben und nicht verträumt alten Zeiten oder verpassten Chancen hinterhertrauern.

Die Jünger ziehen sich zurück und beten. Wie lange, wissen wir nicht. Aber sie beten, bis der Heilige Geist kommt. Aber wie kommt er? Früher vielleicht mal mit Feuerzungen, in Sturm, in Feuersgluten... Und heute? Sicher nicht so dramatisch. Das kann ein guter Freund sein, der einen richtigen Wink gibt. Das kann eine Idee sein, die langsam in mir wächst. Das kann irgendetwas sein, worauf ich mich freuen kann. Freude, Vernunft, Glaube – das alles braucht Zeit zum Wachsen. Auch das Glauben an die eigenen Fähigkeiten, ans eigene Talent, der Glaube, dass Gott letztlich auch mein Leben zum Guten führt.

Die Jünger ziehen sich zurück und beten. Nicht, weil sie verfolgt werden. Nicht, weil sie keine Lust mehr haben, irgendetwas zu tun. Sondern weil das Leben sich ändert für sie. Weil etwas völlig Neues auf sie zukommt. So wie auf uns und unser Leben sicher auch schon einmal etwas völlig Neues zugekommen ist. Und da ziehen sich die Jünger zurück und beten. Wann haben wir so etwas zum letzten Mal getan?