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Predigt am 5. Fastensonntag 2021

Datum:
21. März 2021
Von:
cj

Liebe Christen,

„Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen“.  Was für eine Weissagung! 

Die ersten Christen hatten als ihr Zeichen nicht das Kreuz, sondern andere Symbole wie den Fisch, den Anker, das Bild des Hirten, der ein Lamm trägt.  Erst mit Kaiser Konstantin und der Legende von der Auffindung des Kreuzes von Jerusalem begann der Siegeszug des Kreuzes als Zeichen für das Christentum. 

Angesichts der vielen Menschen, die der Kirche in diesen Tagen den Rücken kehren, ist es mir wichtig, dass Jesus sagt: „Ich werde alle an mich ziehen“.  Jesus spricht von allen. Nicht nur von wenigen. 

Wir haben als Kirche den Auftrag, die frohe Botschaft zu allen Menschen zu bringen. 

Jesus hat das getan. Er hatte keine Berührungsängste mit Aussätzigen und Bettlern. Er heilte am Sabbat, obwohl es verboten war, weil ihm die Menschen so wichtig waren, die der Heilung bedurften.

Den frommen Menschen seiner Zeit sagte er: Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt, sondern die Kranken.

Und so lud er Zöllner und Sünder an seinen Tisch ein. Er hatte keine Berührungsängste, war für alle da, wollte helfen und heilen, wo immer es möglich war. 

Auch Papst Franziskus ist vor acht Jahren angetreten als ein Papst ohne Berührungsängste. Viel Gutes hat er seitdem für die Obdachlosen Roms getan und vielen Menschen die Augen geöffnet für die Not, die in der Welt ist. In der Sorge um das gemeinsame Haus – so nennt er die Erde – hat er kein Problem, mit den Mächtigen dieser Welt und den Vertretern der anderen Weltreligionen gemeinsam zu überlegen, wie die Schöpfung für alle Menschen erhalten werden kann. 

Noch vor wenigen Monaten sagte der Papst über homosexuelle Menschen:

"Homosexuelle haben das Recht auf Familie. Sie sind Kinder Gottes. Niemand darf ausgegrenzt, oder unglücklich gemacht werden. Wir müssen ein Gesetz über Lebenspartnerschaften schaffen. Damit sind Homosexuelle rechtlich geschützt. Ich habe mich dafür eingesetzt“. Zitat Ende. 

Wenn die Glaubenskongregation jetzt in einem Schreiben die Segnung von homosexuellen Paaren kategorisch ausschließt, ist das ein Affront gegen den Papst, weil er selbst auf wenig charmante Weise darauf hingewiesen wird, dass das geltende Kirchenrecht eine solche Auffassung, wie Franziskus sie schon mehrfach öffentlich geäußert hat, nicht billigt. 

Schon 2013 sagte der Papst: "Wenn jemand homosexuell ist und Gott sucht und guten Willens ist, wer bin ich, über ihn zu richten?"

Das Dokument, das die Glaubenskongregation vor einer Woche veröffentlicht hat, verweigert homosexuellen Paaren den Segen der Kirche. 

„Die Sünde segnen“ – das geht nicht.

Aber ist es nicht diskriminierend, Beziehungen auf einen einzigen, nämlich den sexuellen Aspekt des Miteinanders zu reduzieren? Ist eine liebende Beziehung nicht viel mehr als nur das, was die Kongregation Sünde nennt? 

Dass der Papst nun selber das Dokument der Glaubenskongregation unterschrieben hat, ist für viele Menschen eine Enttäuschung und für einige eine Bestätigung, zeigt es doch, dass die Kirche ihre Regeln nicht geändert hat. 

Aber der Papst ist in der Zwickmühle. Er muss sich an die Gesetze der Kirche halten, weil er ihr vorsteht. Ändern kann er sie zwar, das ist aber sehr kompliziert. Also: Was kann er tun?

Vielleicht geht es um eine generelle Neuausrichtung der Kirche. Sie will ein Segen sein für alle Menschen, für die ganze Welt. Es geht nur gemeinsam.

Es geht nicht darum, immer mehr Menschen zum Kirchenaustritt zu bewegen, sondern es geht darum, dass Kirche wertvoll ist, dass Gott mitten in der Welt durch die Kirche wirkt und für alle Menschen da ist. Niemand darf ausgeschlossen sein.

Deshalb ist es wichtig, die Positionen der Kirche neu zu bewerten. Zu wiederverheirateten Geschiedenen genauso wie zu Homosexuellen. 

Dass wir eine Kirche für alle Menschen sind, habe ich durch die Regenbogenflagge vor der Kirche sichtbar gemacht. Unsere Welt ist bunt, und vor Gott dürfen wir sein, wie wir sind. Diese Botschaft wollten auch die Kinder unseres Familienzentrums teilen, sie haben deshalb ihren Regenbogen an ihrem Gebäude befestigt. Sie wird auch von Schwulen- und Lesbenverbänden verwendet, sie besagt aber vor allem: Die Welt ist bunt und jeder hat einen Platz. 

Die Flagge ist angelehnt an die Farben des Regenbogens und an die Flagge der weltweiten Friedensbewegung. 

Die Farben stehen für Dinge, die allen Menschen etwas bedeuten. Rot steht für das Leben, orange für Gesundheit, Gelb für das Licht der Sonne, grün für die Natur, Blau für Harmonie und Violett für den Geist. Oft werden auch die Farben des Regenbogens, die in der kirchlichen Tradition einen festen Platz haben, sehr ähnlich gedeutet. 

In unserer Zeit, in der die Welt sich immer rasanter verändert, wäre es Zeit für ein Konzil. Seit dem zweiten Vaticanum hat sich die Welt schneller verändert als je zuvor. Die Kirche wird der bunten Welt mit ihrem alten Welt – und Menschenbild nicht mehr gerecht. Sie wird nicht mehr verstanden.

Ich war nie sehr kirchenpolitisch unterwegs. 

Aber eins ist mir unendlich wichtig. Die frohe Botschaft von einem Gott, der die Menschen liebt, allen zu verkünden. Denn Christus, am Kreuz erhöht, ist gestorben, um alle Menschen zu erlösen, nicht nur wenige auserwählte, und er ist auferstanden, damit alle ewiges Leben haben.

Das ist wahre Universalität, das ist wahrer Katholizismus. Dem möchte ich treu bleiben.

Amen.

 

Vor dem Segen:

Der Segen ist keine Belohnung für moralisch einwandfreies Verhalten. 

Kein Machtmittel der Kirche. 

Kein magischer Zauberspruch. 

Segen ist vor allem ein Gebet. 

Eine Zusage. 

Eine Sendung. 

Die Stärkung alles Guten, das da ist. Segen will empfangen werden. 

Gespendet werden. 

Gelebt werden. 

Lebe so, 

dass dein Leben ein Segen ist für andere. Dass du ein Segen bist für die Welt. 

So wird durch dich / 

durch uns / 

durch die Gemeinschaft der Kirche 

der Segen herabgerufen auf alle, 

denen wir begegnen. 

Gott ist mit euch. 

Er behütet euch. 

Er wendet euch sein Angesicht zu, erbarmt sich eurer 

und schenkt euch Frieden.