Zum Inhalt springen

Predigt am 3. Fastensonntag 2021

Liebe Christen, dass auch Jesus Wutausbrüche haben konnte, dass er in heiligem Zorn diese Wut für alle sichtbar auslebte, als er im Tempel gegen die Händler und Verkäufer wütete, passt eigentlich nicht in das Bild, das wir uns normalerweise von ihm machen. Wie kann einer, der besonnen, gerecht und fromm ist, so heftig reagieren wie Jesus damals im Tempel? Und was ist der Grund für seinen Zorn?
Datum:
7. März 2021
Von:
cj

Ich glaube, sein wichtigster Grund ist der Verlust des Heiligen, also genau das, was wir heute wieder erleben. Für die Juden gab es keinen heiligeren Ort als den Tempel von Jerusalem. Man pilgerte dorthin, um vor allem Gott nahe zu sein, um Gast zu sein in seinem Haus. 

Und man erlebte leider etwas ganz anderes: Es ging zu wie auf einem Marktplatz, es fehlte das Gebet, die Sammlung, das besondere Gefühl, einen besonderen Moment an einem besonderen Ort zu erleben. Der Blick auf Gott war verstellt, er wurde immer weniger sichtbar. 

Obwohl wir trotz Lockdown und Pandemie  gemeinsam Gottesdienste feiern können, erleben wir heute etwas Ähnliches. 

Der Blick auf Gott, auf das Heilige, auf das, was dem Leben einen tiefen Sinn gibt, ist verstellt. 

Und auch die Kirche mit ihren Missbrauchs-skandalen und ihren Problemen bei der Aufarbeitung gibt in der Öffentlichkeit nicht gerade das Bild ab, den Blick zum Heiligen, zu Gott, zum Wesentlichen zu öffnen. 

Die frohe Botschaft, die zu verkünden die heiligste und wichtigste Botschaft der Kirche ist, gerät ins Hintertreffen. 

Wenn die Welt in früheren Zeiten von Krankheiten, Kriegen und großen Sorgen gebeutelt war, waren die Kirchen zu klein. 

Alle beteten zu Gott, damit er hilft, die Krise zu überwinden.

Heute leben wir wieder in einer Zeit, in der alle große Sorgen haben, und während die Kirchen leer sind, sind die Amtsgerichte überfordert mit den vielen Menschen, die der Kirche endgültig den Rücken kehren. Es läuft wahrlich nicht gut für die Kirche.

Nun hat das Verhalten Jesu im Tempel viele Menschen empört, zornig gemacht, vor den Kopf gestoßen, war doch der Verkauf von Opfergaben und Devotionalien und auch das Geldwechseln eine Jahrhunderte alte Tradition. Jesus forderte von den Gläubigen und den Glaubenshütern seiner Zeit Veränderung. 

Auch heute braucht die Kirche das.

Sie muss sich verändern, um glaubwürdig die frohe Botschaft zu verkünden, um Mut zu machen, um mehr und nicht weniger Menschen zu erreichen, ja um zu wachsen. 

Ein Baumarkt wirbt sehr erfolgreich mit dem Slogan: „Geht nicht gibt’s nicht“.

Wenn unsere Zeit danach schreit, dass die Kirche sich verändert, dass man Machtstrukturen, Zölibat, Frauenpriestertum und viele andere Dinge neu diskutiert, handelt die Kirche seit ewigen Zeiten nach dem Slogan:

„Geht nicht“.

Und dann kommt das Killerargument, das nebenbei unsere protestantischen Glaubensbrüder und Schwestern beleidigt: „Da können wir ja gleich evangelisch werden“. 

Warum eigentlich nicht? 

Bitte versteht mich richtig. Ich will nicht, dass wir jetzt alle aus der katholischen Kirche austreten und in die evangelische eintreten. 

Auch Martin Luther wollte damals keine neue Kirche gründen, sondern die katholische Kirche, in der er beheimatet war, heilen und verändern. Dass das zur Kirchenspaltung geführt hat, war ein Drama, das er nicht beabsichtigt hatte. 

Seine Grundsätze sind ja bis heute für alle Christen, auch uns Katholiken, hochaktuell! 

Sola fide, sola gratia, sola scriptura, 

Darum muss sich alles drehen. 

Der Glaube zählt, er ist wichtig, ebenso die Gnade Gottes – und die Bibel, die heilige Schrift. Damit können auch wir uns als Katholiken wunderbar identifizieren. 

Ohne zu glauben, ohne auf das Wort Gottes Wort zu hören und ohne auf die Gnade und Liebe Gottes zu vertrauen könnten wir doch kein einziges der sieben großen Sakramente ehrlich und gut empfangen! 

Eine Kirche, ganz gleich, welche, ist ehrlich und gut, wenn sie den Glauben stärkt, Hoffnung gibt und Nächstenliebe lebt und verkündet. Wenn sie das nicht schafft, muss sie sich neu erfinden, muss, wie Jesus das vorgemacht hat, ihren Tempel, ihr Haus entrümpeln, um den Blick auf das Heilige, auf Gott, der uns Glauben, Hoffnung und Liebe schenkt, neu zu eröffnen. 

Das ist ganz und gar nicht einfach. Und je nach dem, welche alten Zöpfe abgeschnitten werden, macht man sich damit erbitterte Feinde. 

Viele sind davon überzeugt, dass das Verhalten Jesu im Tempel Auslöser für seine Verhaftung und Kreuzigung war. Jesus hat sich gerade im Tempel viele Feinde gemacht. 

Aber wir alle spüren doch, dass es mit der Kirche nicht so weitergehen kann wir bisher. 

Geht nicht. 

Wie oft haben wir das schon gehört.

Aber: „Geht nicht gibt’s nicht“ ist nicht nur für einen Baumarkt eine gute Werbung, auch der Kirche würde ein solcher Slogan gut stehen, vielleicht noch ergänzt durch ein starkes Wort aus der Bibel.

„Geht nicht gibt’s nicht.

Denn für Gott ist nichts unmöglich“

 

Amen.