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In dieser Krise erleben wir das Wirken des Heiligen Geistes (Pfingstsonntag 2020)

Datum:
31. Mai 2020
Von:
Christoph Jansen

Liebe Christen,

am Pfingstfest feiert die Kirche sich selbst, hat vor einigen Tagen ein Radiomoderator im Radio gesagt – und dann direkt den Satz relativiert, er wolle jetzt nichts Falsches, Blasphemisches sagen. Dabei hat er Recht. Die Kirche feiert sich selbst.

Ich sehe direkt die Kommentare. Die haben doch nichts zu feiern. Oder: Das ist mal wieder typisch Kirche. Die kreisen nur um sich selbst. Zeit, noch einmal nachzufragen. Wer oder was ist die Kirche?

Immer wieder derselbe Denkfehler! Kirche, das sind nicht die da oben, die anderen, die so vieles falsch machen, die sagen, wo’s lang geht. Kirche, das sind 2,5 Milliarden Menschen, eben alle, die sich Christen nennen. Und aller Wahrscheinlichkeit nach sind Sie, bist du einer von 2 ½ Milliarden.

Kirche, das ist Gemeinschaft, wir sind Gemeinschaft. Mit Gott und miteinander. Und weil eine so große Gemeinschaft eine Struktur braucht, gibt es in der Kirche eben auch „die da oben“, die Bischöfe, den Papst und so weiter. Das ist nicht anders als z. B. in Deutschland, wo es ja auch den Präsidenten, die Kanzlerin, Ministerpräsidenten und viele andere wichtige Leute gibt. Aber ohne uns, die wir in diesem Land leben, wären „die da oben“ nichts.

Kirche, das sind auch ganz viele. Und alle, die sich Christen nennen, bekennen im Glaubens­bekenntnis, dass sie nicht nur an Christus glauben, sondern genauso an den Vater und den heiligen Geist. Und der ist zwar nicht so leicht zu erklären wie der Vater und der Sohn, aber er ist die göttliche Person, die uns am allernächsten ist.

Denn in allem, in jedem Menschen, in der Fülle der Schöpfung steckt sein großer Geist. Wenn wir es schaffen, die Welt und die Menschen so zu sehen, dass wir in allem Gottes Geist sehen können, sind wir ihm ganz nah. Trauen wir Gott etwas zu! Trauen wir ihm zu, dass alles, was gut ist, was gelingt, was guttut, nicht Zufall oder Glück, sondern sein Geschenk an uns ist!

Gerade in dieser Krise, die wir zurzeit erleben, erleben wir doch das Wirken des Geistes. Wir brauchen unendlich viel Weisheit, Einsicht, Mut, Erkenntnis, um in dieser bedrohlichen Situation das Richtige zu tun. Und das sind bekanntlich alles Gaben des Heiligen Geistes. Übrigens auch die Gottesfurcht. Wenn die fehlt, kann das verheerend sein.

Blicken wir nur einmal nach Amerika, nach Brasilien, in die vereinigten Staaten. Die Lenker dieser Staaten handeln deshalb so verantwortungslos und todbringend, weil sie sich, ohne es explizit auszusprechen, selber für Götter halten. Über ihnen sehen sie nichts mehr. Sie sind great, sie sind die Größten. Hätten sie Gottesfurcht, dann wüssten sie, dass es eine letzte Instanz gibt, die höher und größer ist als sie und vor der sie sich verantworten müssen.

Liebe Christen, der Geist Gottes weht. Nicht nur damals, als er in Feuerzungen auf die Jünger kam, sondern auch und gerade heute, immer und überall. Und er wirkt durch uns Menschen, übrigens nicht vor allem durch jene, die an Gott glauben, sondern vor allem durch alle, die sein Wirken bewusst oder unbewusst zulassen. Und diese Zeit, in der wir leben, zeigt, dass das sehr viele sind.

Mit der Pandemie habe ich mich in den letzten Wochen und Monaten durchaus kritisch auseinandergesetzt. Viele Maßnahmen, die getroffen wurden, um das Virus einzudämmen, haben Risiken und Nebenwirkungen. Deshalb habe ich sie hinterfragt. Nicht alles, was wir jetzt tun müssen, habe ich direkt verstanden. Vielleicht ist unser Weg durch die Krise wirklich vergleichsweise gut, und es ist auch richtig, dass die meisten Menschen sich an die entsprechenden Vorschriften, Gebote und Verbote halten. Und doch erwarte ich von jedem Christen, von jedem Menschen guten Willens, dass das Leben – auch nach Coronaregeln - eine bewusste und reflektierte Entscheidung ist.

Denn nicht alles, was irgendwie von oben kommt, dürfen wir ungefragt akzeptieren und befolgen. Bei allem, was wir tun, ist nämlich nicht allein die Instanz verantwortlich, die die Vorschriften und Gesetze gemacht hat, sondern vor allem wir selbst.

Krieg und Völkermord, auch der Holocaust konnte nur passieren, weil zu viele Menschen alle Vorschriften und Gesetze befolgt haben, die es gab, ohne darüber nachzudenken. Denn wenn wir nachdenken, wenn wir auf unser Gewissen hören, dann lassen wir den Geist Gottes in uns wirken. Und dann werden die meisten merken, dass die Coronaregeln am Ende mehr Wirkungen als Nebenwirkungen haben und dass dummer Nationalismus und Fremdenhass Hirngespinste sind, die der christlichen Nächstenliebe widersprechen und sie verhindern.

Wir haben eine große Verantwortung, jeder Einzelne von uns, 2.5 Milliarden Christen, 8 Milliarden Menschen. Die vielen Vorschriften, Verbote und Gebote in diesen Tagen nehmen uns diese Verantwortung nicht ab. Im Gegenteil! Es ist ein riesengroßer Unterschied, ob ich etwas tue, weil irgendwer es mir gesagt hat, der Macht über mich hat, oder ob ich etwas tue, weil ich selber davon überzeugt bin.

Deshalb ist es zum Beispiel in der heutigen Zeit ganz wichtig für die Mächtigen, gut zu erklären, warum wir zum Beispiel unnormal viel Abstand voneinander halten müssen, obwohl es unserem üblichen Handeln widerspricht, warum wir vieles nicht tun dürfen, was wir gerne tun würden. Aber es ist genauso wichtig für jeden Einzelnen von uns, diesen Erklärungen gut zuzuhören, damit wir nachvollziehen können, warum wir das machen.

Als der Pfingsttag gekommen war, verstand jeder die Sprache des Anderen. Wenn wir gut aufeinander hören und aufeinander achten, können wir alle gewissenhaft und geisterfüllt handeln. Dann wirkt längst der Geist Gottes schon längst in unserer Mitte.

Christoph Jansen