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Ich bin die Auferstehung und das Leben ... (Fünfter Fastensonntag 2020)

2020-03-29_Corona-Predigt
Datum:
29. März 2020
Von:
Christoph Jansen

Tiefe Finsternis hat sich auf unsere Plätze, Straßen und Städte gelegt; sie hat sich unseres Lebens bemächtigt und alles mit einer ohrenbetäubenden Stille und einer trostlosen Leere erfüllt, die alles im Vorbeigehen lähmt.

So hat am Freitag Papst Franziskus seine Ansprache vor dem menschenleeren Petersdom auf dem menschenleeren Petersplatz in Rom begonnen. Ohrenbetäubende Stille. Ich kann nachspüren, was er meint. Rom ist eine laute Stadt. Es sind immer so viele Menschen unterwegs. Immer hört man von irgendwo ein Martinshorn. Rom ohne Tatütata geht gar nicht.

Und dann hat der Papst still vor dem Allerheiligsten gebetet. Da habe ich sie im Fernsehen auch gehört, diese ohrenbetäubende Stille. Erst dachte ich, dass es vielleicht daran liegt, dass die Mikrofone nicht so empfindlich sind, die sonst so laute Stadt einzufangen, aber dann schwenkte die Kamera auf den Platz, und ganz hinten, am Ende der Kolonnaden, da sah ich im Fernsehgerät einen Polizeiwagen. Und ich hörte klar und deutlich den Motor des Wagens. Es war keine Illusion, die Stille war wirklich ohrenbetäubend.

Wenn ein ganz lieber Mensch gestorben ist, gibt es diese ohrenbetäubende Stille auch. Wenn jedes Gespräch gesprochen, jeder Kondolenzgruß vorbei ist, wenn alles, was organisiert werden musste, organisiert ist, dann kommt die Stille, vor der viele Trauernde sich fürchten.

Diese bedrückende Stille im Evangelium wird durchbrochen von einem Vorwurf. „Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.“ Jesus antwortet gar nicht auf den Vorwurf seiner Freundin Maria, sondern er geht mit ihr und den Trauernden zum Grab und weint. Die ohrenbetäubende Stille der ohnmächtig trauernden Menschen ergreift ihn. Er weint mit den Weinenden. Das tut er auch heute mit uns, mitten in den Tagen der Pandemie. Er trauert mit uns, leidet mit, weint mit.

Jesus weint ja am Grab des Lazarus nicht, weil Lazarus gestorben ist und damit seinen Weg hin zu Gott und zum ewigen Leben begonnen hat, sondern er weint, weil er sieht, wie seine Freundinnen und Freunde trauern. Sie fühlen sich angesichts des toten Freundes hilflos, machtlos und ohne Hoffnung. Sie glauben fest daran, dass Jesus Kranke heilen kann, aber jetzt ist Lazarus tot. Jesus kommt zu spät.

Das letzte Bild der Geschichte, die der Evangelist Johannes uns heute berichtet, ist wie aus einem Horrorfilm, so einem mit Zombies. Lazarus kommt heraus. Hände, Füße und Kopf sind verbunden. Vier Tage ist er schon tot gewesen. Er riecht schon, die Verwesung hat bereits eingesetzt. Ein Wunder, dass die Leute nicht schreiend weggelaufen sind. Aber sie kommen zum Glauben. Das ist vielleicht das größte Wunder in dieser Erzählung.

Schon jetzt, in der aktuellen Phase der Pandemie, gibt es viele Menschen, die mit Gott hadern. Wie jene Maria, die Jesus den Vorwurf macht: Wärest du hier gewesen… Dabei ist Jesus hier, mit uns in der Krise vereint. Lassen wir ihm Zeit, mit uns zu weinen und zu klagen. Er wird auf seine Art die ohrenbetäubende Stille beenden. Die Macht dazu hat er. Er wird uns aus der Zeit der Pandemie retten – und viele, die sich infiziert haben, werden gesund. Aber er heilt nicht nur, sondern er besiegt sogar den Tod und rettet so auch jene, die bereits an den Folgen der Infektion verstorben sind und die noch sterben werden. Denn was er seiner Freundin Martha sagt, das sagt er uns auch.

Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben.

Amen.