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Hoffnung (5. Fastensonntag 2002)

Datum:
17. März 2002
Von:
Heinz Büsching

Lazarus komm heraus, ruft Jesus.

Könnten Sie sich vorstellen, dass er Ihren Namen ruft? Dass er Ihnen zuruft: Komm heraus? Könnten Sie sich vorstellen, dass die Grabkammer, aus der Jesus Sie herausruft, Ihr Kummer ist, Ihre Hoffnungslosigkeit, Ihre Not? Dass er Ihnen zuruft: Komm heraus, und dass er es schafft, Sie da herauszuholen?

Vielleicht geht es Ihnen gut, und Sie haben keinen Bedarf. Aber vielleicht ist einer aus Ihrer Familie am Boden. Oder ein Nachbar fühlt sich am Ende. Oder jemand aus Ihrem Freundeskreis hat aufgegeben. Vielleicht haben Sie auch schon mal gedacht: wo bleibt der liebe Gott. Herr, wenn du zur Stelle und rechtzeitig dazwischengegangen wärest, dann wäre meine Schwester, mein Bruder, der Mensch, der mir so am Herzen liegt, nicht in diese Sackgasse geraten, nicht in dieses dunkle Loch gefallen.

Können Sie sich vorstellen, dass unser Bittgebet darin besteht, dass wir uns wie die Geschwister des Lazarus an Jesus wenden. Dass wir, innerlich fast verzweifelnd, sagen: Aber auch jetzt weiß ich, dass Gott uns durch dich alles geben kann.

Machen wir uns bewusst, dass es in diesem Evangelium nicht um das ewige Leben geht, nicht um das endgültige Bei-Gott-Sein, nicht um die Aufnahme in den Himmel. Lazarus kehrt zurück. Er kehrt zurück in seine Dorfgemeinschaft. Er kehrt zurück in seinen Freundeskreis. Er kehrt zurück in seine Familie. Er wird der Erde zurückgegeben. Lazarus wird eines Tages endgültig gestorben sein und hoffentlich sein Ostern erlebt haben, das Neugeschaffenwerden für eine neue unvorstellbar größere Wirklichkeit. Aber hier, in diesem Evangelium, wird er in sein irdisches Leben zurückgeholt. Und darin steckt auch, dass Jesus dem Lazarus und uns zuruft: Komm, es lohnt sich. Es lohnt sich doch. Vielleicht heißt es auch: Komm, du wirst noch gebraucht. Und irgendwie muss es auch heißen, Komm, es ist schön hier. Denn Jesus liebte ja den Lazarus. Zwar sind wir nur Gast auf Erden. Aber weil Gott uns liebt, will er, dass wir uns als Gäste hier wohlfühlen. Darum muss das "Lazarus komm heraus" auch bedeuten: Komm, es lohnt sich.

Dieses Evangelium kommt bei mir an als Ja Gottes zu seiner Welt, als Ja zu dieser Erde, als Ja zu unserem irdischen Leben. Gott steht zu uns. Nicht erst später mal, sondern jetzt und hier.

Klingt alles gut. Hört sich plausibel an. Aber die Gefühle gehen nicht unbedingt mit. Und der Glaube neigt zum Streik. Vor dem Bittgebet hockt der Zweifel. Vor der Hoffnung auf Heilwerden steht das "Es-Nicht-Glauben-Können".

Die Lazarus-Geschichte rechnet mit unserem Zweifel, mit unserem Unglauben, mit dem, was wir vielleicht etwas zu vorschnell und kurzsichtig unseren Realismus nennen. Die Lazarus-Geschichte rechnet mit unserem Zweifel. 4 Tage lässt sie den Lazarus im Grab sein – das heißt nun wirklich die Ausweglosigkeit auf die Spitze treiben. 4 Tage im Grab – da ist nun wirklich nichts mehr zu machen. Auch die Zeugen von damals glauben offensichtlich nicht daran, dass da noch etwas Positives passiert. Vielleicht ein bisschen die Maria.

Und in das ungläubige Staunen hinein erweist Jesus seine Vollmacht zur Neuschöpfung, zur Neuschöpfung auch in dieser irdischen Welt. Lazarus kommt heraus und zurück. Es geschieht, damit Gottes Herrlichkeit offenbar wird, wie Jesus sagt. Aber Verherrlichung Gottes heißt in dieser Welt immer auch: für uns und um unseres Heils willen. Dieses Evangelium will uns Mut machen, auf Gottes Beistand zu setzen, auf seine Initiative, auf seine schöpferische Kraft. Dieses Evangelium sagt: gib nicht auf.

Ein Neues Geistliches Lied formuliert es so:

Hoffen wider alle Hoffnung.

Glauben, dass es dennoch weitergeht.

Lieben, wo es beinah nicht mehr möglich,

damit die Welt auch morgen noch besteht.

 

Für wen möchten Sie in dieser heiligen Messe beten und hoffen?