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Gott hat uns zur Freiheit berufen (Dienstag der 4. Osterwoche 2020)

2020-05-05_Corona-Predigt
Datum:
5. Mai 2020
Von:
Christoph Jansen

Liebe Freunde,

Am vergangenen Sonntag hat in der gestreamten heiligen Messe in der Warther Liebfrauenkirche Diakon Willibert Pauels gepredigt. Seinen Impuls greife ich gerne auf. Er hat nämlich mit einer ganz kurzen Geschichte von Antony de Mello begonnen, die folgendermaßen lautet.

Wieder einmal war ein Schaf durch ein Loch im Zaun aus der Herde fortgelaufen. Und wieder einmal begab es sich dadurch in große Gefahr. Trotz der dringlichen Mahnung der Freunde, doch nun endlich das Loch im Zaun zu schließen, weigerte sich der Hirte, dies zu tun. Er sagte: Ich darf das Loch im Zaun nicht schließen. Ich muss meinen Schafen die Freiheit schützen.

Gott hat uns zur Freiheit berufen. Wir können deshalb selber entscheiden, wie wir leben und was wir tun. Auch in der Pandemie können wir uns an die Regeln halten oder sie brechen in der Hoffnung, nicht erwischt oder gar infiziert zu werden. Wenn wir alles im Sinne Gottes richtig und gut machen würden, wäre die Welt perfekt und wir alle wie ein Spiegelbild Gottes, und alle würden in seinem Sinne handeln und ihn lieben. Wir wären alle Gott. Und Gott hätte niemanden, den er lieben könnte, außer sich selbst, und Selbstliebe ist keine wirkliche Liebe.

Nutzen wir also unsere Freiheit. Denken wir nach, prüfen wir unser Gewissen und tun wir das, was für uns wichtig und richtig ist. Es kann sein, dass das den Regeln widerspricht. So sollen Kinder ihre Großeltern nicht besuchen, weil das ein Infektionsrisiko birgt. Aber wenn das Leben der verwitweten Großmutter grau und traurig geworden ist, kann es besser sein, dass die Enkel sie besuchen und so Licht in das einsame und triste Leben bringen, als weiterhin den Kontakt zu meiden. Es kann besser sein, jemanden zu umarmen, der Trost braucht, als sich an die Abstandsregeln zu halten.

Als Christen haben wir das große Gebot der Nächstenliebe, und das erlaubt, anders als ein Verhaltenskodex oder ein Regelwerk, oft verschiedene Handlungsweisen. Der Zaun, das sind die Gebote und Verbote, die Vorschriften und Gesetze. Wenn das Gewissen mich aber treibt, dann muss ich durch das Loch im Zaun entlaufen, auch wenn ich mich dadurch in große Gefahr bringe. Gott ist doch in diesem Gleichnis der Hirte, der das Loch nicht schließt. Genau diese Denkweise muss auch uns und unsere Entscheidungsträger umtreiben. Im Kampf gegen die Pandemie können nicht alle Löcher im Zaun geschlossen werden, kann es keine letzte Sicherheit geben. Immer neu müssen wir abwägen, welches Handeln gut und weise ist. Versuchen wir in dieser Zeit, das Richtige zu tun. Gott wird uns dabei helfen.

Ihr und euer Christoph Jansen