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Gott besser verstehen (Dreifaltigkeits-Sonntag 2002)

Datum:
26. Mai 2002
Von:
Heinz Büsching

Gott besser verstehen.

Die Weltreligionen können sich dabei gegenseitig helfen.

Erstens der Buddhismus. Für den reinen Buddhismus ist Gott so anders, so sehr anders als alles, so sehr über allem und allem entzogen, dass man vor ihm eigentlich nur schweigen kann. Ähnliches Verstummen vor Gottes Unendlichkeit findet sich bei gläubigen Denkern in allen Religionen. Gott, der Unergründliche, der Unsagbare, der alle Bilder und Begriffe übersteigt. Wir Christen meinen dieses Geheimnis, wenn wir von Gott dem Vater sprechen – und natürlich haben wir mit dem Wort "Vater" schon ein Bild verwendet, das nur uneigentlich verstanden werden darf. In Wirklichkeit ist Gott der ganz Andere.

Für Juden, Christen und Moslems – zweitens – bleibt Gott nicht fern und entzogen wie im Buddhismus. Für Juden, Christen und Moslems ist Gott der, der aus sich herausgeht; der zu den Menschen spricht; der mit uns Menschen handelt. Gott redet mit Abraham, sendet Mose, mischt sich durch die Propheten in die menschliche Geschichte ein. Mohammed ist Prophet und Dolmetscher Gottes für die Menschen. Wir Christen erkennen in Jesus von Nazaret den Sohn Gottes, der sich entäußerte, um Mensch unter uns Menschen zu werden. Juden, Christen und Moslems nehmen Gott wahr als den, der aus sich herausgeht und mit uns handelt.

Für einige Formen des Hinduismus – drittens – ist Gott die Innerlichkeit von allem, was ist. Göttlich ist nicht nur die Tiefe der Seele, göttlich ist die tiefe Ganzheit, in der Gott, Mensch und Kosmos eins sind. Im Hinduismus ist Gott das Herz von allem, was ist. Das Ziel des Menschen ist für den Hinduismus nicht die Gemeinschaft mit Gott, sondern das Einswerden mit dem Meer des Göttlichen. Diese Ahnung von Gott findet sich auch in anderen Religionen, vor allem bei Mystikern, z. B. bei Meister Eckhart. Aus christlicher Sicht ist hier eine Nähe zum heiligen Geist gegeben. Er ist ja die Liebe, die alles vereint.

Gott besser verstehen. Die Weltreligionen können sich dabei gegenseitig helfen. Doch ist unsere Gotteserkenntnis immer bedroht, und jede Sicht Gottes hat ihre eigene Bedrohung. Wenn Gott "Geheimnis total" ist, dann ist er praktisch weg. Und Gott sei Dank hält der Buddhismus die Lehre von der totalen Weltentzogenheit Gottes auch nicht durch. Wenn Gott – wie bei Juden, Christen und Moslems – im Blick ist als der, der mit uns handelt, dann besteht die Gefahr, dass er von uns gepachtet wird, verkumpelt und entgöttlicht. Und auch so ist Gott dann praktisch weg.

Wenn Gott schließlich die reine Innerlichkeit ist, die Innenwelt von allem, dann wird die äußere Welt entwertet und das verantwortliche Handeln mit ihr unwichtig. Glücklicherweise hat der Hinduismus die Sache mit der absoluten Innerlichkeit nicht durchgehalten, und eine Vielfalt an Frömmigkeit hat sich nach oben gedrängt und sich im indischen Alltag Raum verschafft.

Wir feiern heute das Fest der heiligsten Dreifaltigkeit. In der Lehre vom dreifaltigen Gott finde ich die guten Gotteserfahrungen der Religionen bewahrt: seine Unergründlichkeit im Bild des Vaters; sein Handeln mit uns im Glauben an den Sohn; seine alles einende Kraft in der Anrufung des Heiligen Geistes. Die Lehre vom dreifaltigen Gott drückt Sympathie aus mit allen Religionen. Sie ist Anregung, voneinander zu lernen. Ich möchte lernen, mich mehr von der liebenden und einenden Kraft des göttlichen Geistes durchdringen zu lassen.

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