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Gebet (2. Fastensonntag 2002)

Datum:
24. Feb. 2002
Von:
Heinz Büsching

Kennen Sie auch den Widerwillen gegen das Gebet? Dass Sie sich nur mühsam zum Gebet aufraffen können?

Die Lehrer des geistlichen Lebens haben immer gewusst, dass es vor dem Gebet eine tiefe Unlust geben kann. Noch der große und fromme Guardini hat diese Unlust beschrieben und davon gesprochen, dass einen zuweilen eine geradezu feindselige Stimmung gegen das Gebet überkommen kann.

Das hängt gewiss damit zusammen, dass Gott unseren Augen verborgen ist. Unsere Sinne sind in das Sinnenhafte verkrallt. Es kostet Kampf, sich loszureißen, wenn es darum geht, seine Seele zu Gott zu erheben. Vielleicht fühlen wir auch schon im Vorfeld, dass wir vor Gott doch nicht so prima sind. Schuldgefühle drohen, alte Ängste kommen ins Spiel, und wir sind instinktiv geneigt, vor diesem gefährlichen Bereich elegant abzubiegen. Vor dem Gebet fallen uns plötzlich ungeheuer wichtige andere Dinge ein, die unbedingt jetzt sofort getan werden müssen, und schon ist es uns wieder fast gelungen, am Gebet vorbei zu kurven.

Das Stundengebet der Kirche beginnt jede Gebetszeit mit dem Ruf: "O Gott, komm mir zu Hilfe!" und fügt noch schnell hinzu "Herr, eile, mir zu helfen!" Offensichtlich wussten die Väter der Stundengebete um unsere Schwierigkeiten, wenn es darum geht, in den Raum des Gebetes einzutreten.

Dennoch habe ich nie das Gefühl, dass ich mich beim Beten zu etwas zwinge, das ich nicht aus tiefstem Herzen will. Ich will beten. Ich will es wirklich. Auch gegen Widerwillen. Ich weiß ja, dass es mir auch sonst oft schwerfällt, das Gute zu tun. Auch sonst muss ich mich oft zum Guten überwinden, zum Guten zwingen.

Gott ist nicht billig zu haben. Treues Kontakt-Halten mit Gott. Zuverlässig zur Stelle sein im Morgengebet, im Tischgebet, im Abendgebet. Das verlangt uns ganz. Weil Gott uns ganz verlangt.

Aber auch wir verlangen ja nach ihm. Gott lieben mit allen unseren Kräften, das ist in uns grundgelegt, und unruhig ist unser Herz, bis es ihn hat.

So sehr wir zuweilen die Schwierigkeiten spüren, die vor dem Gebet stehen können – es gibt ja auch das Andere: nämlich das tiefe Glück, die innige Freude, die sich in uns zu regen beginnt, wenn wir es schaffen, unsere Seele zu Gott zu erheben.

Das heutige Evangelium bietet uns das Bild der Bergbesteigung an. Der Anstieg kann mühsam sein oder von vornherein abschrecken. Aber wenn wir den Aufstieg wagen, kann der Gipfel eine unsagbare Freude bedeuten.

Nicht jedes Gebet führt in eine solche Begeisterung, wie sie die Jünger auf dem Berg der Verklärung überkommt. Aber jedes Gebet führt uns in Gottes Nähe. Und immer hoffen wir darauf, dass sein Angesicht zu leuchten beginnt. Manchmal geschieht es, und manchmal haben wir das Gefühl, ins Leere zu schauen und ins Leere zu sprechen.

Dann haben wir nichts als den Glauben, die Tapferkeit und die Geduld – wie manchmal Eltern und Kinder, wie manchmal Mann und Frau, wie die Jünger, als Jesus verhaftet wurde, wie Jesus am Kreuz, als er rief, mein Gott, warum hast du mich verlassen.

Ich werde mich hüten, für das Gebet zu werben mit dem Slogan: "Beten macht Spaß" oder "Wollen Sie was Tolles erleben – dann versuchen Sie es mal mit Beten" – solche Slogans passen in die Hobbywelt, in die Spaßgesellschaft, aber nicht zum Gebet.

Gebet hat etwas mit Beziehung zu tun, und zu einer Beziehung, so sie denn eine ist, gehören immer Vertrauen, Treue und die Tapferkeit des Herzens. Und immer gehört dazu die ehrliche Aufgeschlossenheit für den andern.

Meist spüren wir sehr wohl, dass Gott im Gebet da ist, wenn wir nur richtig hinsehen, wenn wir nur richtig hinhören, wenn wir nicht plappern, sondern uns ehrlich für ihn öffnen. Und manchmal gibt es auch für uns die Sternstunden wie für Petrus, Jakobus und Johannes auf dem Berg der Verklärung. Solche Stunden können uns helfen, die Zeiten der inneren Leere, der Nacht und des Kreuzweges durchzustehen.

Wenn ich für das Gebet werbe, fühle ich mich gut. Nicht nur, weil ich für eine grundgute Sache werbe, sondern auch, weil ich sicher bin, dass ich Ihnen aus der Seele spreche.

Zwei Tipps:

Übernehmen Sie doch für Ihr Gebet die Einleitung: O Gott komm mir zu Hilfe.

Und machen Sie sich vor jedem Gebet bewusst, dass Gott Sie anschaut. Liebevoll anschaut. Wie ein guter Vater sein unbeholfenes Kind. Er schaut sie auch jetzt an. Möchten Sie seinen Blick erwidern?