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Er kommt so sicher wie das Morgenrot. (Samstag der 3. Woche der Fastenzeit 2020)

2020-03-21_Corona-Predigt
Datum:
21. März 2020
Von:
Christoph Jansen

Kommt, wir kehren zum Herrn zurück!

Denn er hat Wunden gerissen,

er wird uns auch heilen;

er hat verwundet, er wird auch verbinden.

Nach zwei Tagen gibt er uns das Leben zurück,

am dritten Tag richtet er uns wieder auf,

und wir leben vor seinem Angesicht.

Lasst uns streben nach Erkenntnis,

nach der Erkenntnis des Herrn.

Er kommt so sicher wie das Morgenrot;

er kommt zu uns wie der Regen,

wie der Frühjahrsregen, der die Erde tränkt.

Liebe Christen, dieser wunderschöne und anrührende Text ist mir in der Tagesliturgie von heute begegnet. Er stammt vom Propheten Kohelet und obwohl er schon sehr alt ist, mindestens 2500 Jahre, tröstet mich und uns alle, die wir unter den direkten und indirekten Folgen der Pandemie leiden. Wie wohltuend ist es zu lesen, dass bei allem Leid, bei allen Sorgen, bei allen Wunden, die jetzt aufbrechen, das große Vertrauen da ist, dass das Verwundete heilt und dass alles, was am Boden liegt, wiederaufgerichtet wird.

Besonders aber mag ich den Satz: "Er kommt so sicher wie das Morgenrot", weil ich da immer ein ganz besonderes Bild vor Augen habe, ein vergängliches wohl, das ich Gott sei Dank in einem Foto festgehalten habe.

In manchen Jahren habe ich mir ganz allein eine Auszeit in meiner Hütte in Norwegen gegönnt, zuletzt im Oktober 2018. An einem Morgen war ich früh wach und sah aus dem Fenster die noch schwache Morgendämmerung, die den Südosthimmel in ein ungewöhnlich kräftiges Dunkelrot färbte. Ohne zu frühstücken lief ich schnell runter an den See und tauchte ein in ein faszinierendes Farbenmeer. Die klare Luft, das saubere, spiegelglatte Wasser, der rote Himmel, die Sonne, die im nordischen Herbst unendlich lange braucht, um sich zu zeigen - ich habe nur da gesessen, am Wasser, und gestaunt.

Der Herr kommt. So sicher wie das Morgenrot. Was für ein Morgen war das! Ich fühlte mich unendlich reich beschenkt. Und außer einigen Fotos habe ich nichts gemacht, nur dagesessen und eine unendliche Geborgenheit gefühlt.

Für euch ist es jetzt ein Geschenk, dass ich damals Bilder gemacht habe. Ich würde keins brauchen, weil die Bilder von diesem Sonnenaufgang sich in mich hineingebrannt haben, weil ich diese Morgenstunde niemals vergessen werde. Aber so kann ich euch dieses Bild zeigen, damit ihr alle eine Ahnung von dem habt, was ich sehen durfte. Es war das wohltuende Gefühl, dass sich manchmal Himmel und Erde berühren.

Auch in der Coronakrise sagt der Sonnenaufgang uns allen: Die Erde dreht sich weiter. Und der Himmel ist nicht nur ganz weit weg, sondern er umgibt uns. Auch in der Zeit, die wir alle jetzt erleben, ist Gott unser Wegbegleiter, er lässt uns nicht allein. Und auch wenn uns in diesen Tagen so vieles fehlt, schenkt er uns doch nicht nur das, was wir zum Leben brauchen, sondern viel, viel mehr. Wir sind unendlich reich beschenkt.

Ihr Pastor

Christoph Jansen