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Ein Drachen wäre mir jetzt lieber (Donnerstag der 2. Osterwoche 2020)

2020-04-23_Corona-Predigt
Datum:
23. Apr. 2020
Von:
Christoph Jansen

Liebe Freunde,

ein Drachen wäre mir jetzt lieber...

Dieser Satz stammt aus dem vierten Harry-Potter-Film. Harry ist gerade 14 Jahre alt. Vor Kurzem hat er erfolgreich gegen einen Drachen gekämpft und jetzt steht er vor der für ihn praktisch unlösbaren Aufgabe, nach einer Tanzpartnerin zu suchen. Im Film geht es um Gefühlschaos in der Pubertät. Das Unbekannte macht mehr Angst als das Sichtbare, auch wenn das Sichtbare noch so grausam ist.

Ein Drachen wäre mir jetzt lieber - als der Kampf gegen das Virus. Dem Drachen kann man in die Augen sehen, er ist in der mittelalterlichen Sagenwelt äußerst präsent und steht für das Böse, das durch den Helden überwunden werden kann.

Am Gedenktag des heiligen Georg, der als Märtyrer in der Christenverfolgung unter dem römischen Kaiser Diokletian ermordet wurde, ist das Thema "Drachen" naheliegend. Die Legende macht Georg zum Drachentöter, zum unbesiegbaren Glaubensheld, weil die Angst vor den Verfolgern, die Standhaftigkeit im Bekenntnis und der Mut, seinen starken Glauben nicht zu verleugnen, schwer darstellbar ist. Also nahm die Legende das Bild eines Drachen, der aus der Hölle kommt und vom heldenhaften Heiligen besiegt wird.

Vielleicht macht die Legende auch das Virus unserer Tage einmal zu einem Drachen - wer weiß! Denn wenn eines Tages über das Jahr 2020 erzählt wird, in dem die Welt gegen einen unsichtbaren Feind kämpfen musste, könnte es den einen oder anderen Schriftsteller oder Regisseur geben, der sich auch denkt: "ein Drachen wäre mir jetzt lieber" und auf diese Weise die Bedrohung sichtbar macht. Und aus der heute sehr realen Bedrohung wird dann ein zähnefletschendes Ungeheuer.

Wie auch immer, die Frömmigkeit seiner Zeit hat Georg zu einem Helden gemacht, ganz gleich, wie real der Drachen in der Legende wohl zu verstehen ist. Die entscheidende Aussage ist aber - Drachen hin oder her - bis heute gültig. Mit Gott kannst du alles schaffen, mit ihm an deiner Seite bleibst du Sieger, während du ohne ihn hilflos und schwach bleibst. Mit Gott und mit seinem Glauben wird ein Ermordeter, ein Opfer einer Christenverfolgung, der sein Leben verliert, zum Sieger und zum Helden, der stärker ist als das schlimmste Ungeheuer. Vielleicht macht diese Glaubenswahrheit den heutigen Tagesheiligen auch zum Patron der Pfadfinder, die oft genug in ihrer Gemeinschaft erfahren, dass es auch da Wege gibt, wo man sie am wenigsten erwartet.

Ein Drachen wäre mir jetzt lieber - aber nur, wenn ich wüsste, wie ich ihn besiegen kann. Beten wir dafür, dass die Mediziner und Wissenschaftler unserer Tage bald die verletzliche Stelle des Drachen Covid 19 entdecken, damit sie ihn erfolgreich besiegen können. Denn besiegte Drachen sind sehr nützlich. Sie beschützen die Gottesdienstbesucher - zumindest in den alten norwegischen Stabkirchen - vor allem Bösen und halten Gefahren von den Gläubigen ab.

Bei allem mittelalterlichen Charme dieser Gedanken könnten wir Drachen oder Artverwandte, die uns vor bösen Mächten beschützen, heute wieder ganz gut brauchen. Denn bei aller Hoffnung, dass bald wieder öffentliche Gottesdienste in unseren Kirchen möglich sein könnten, sollte auf keinen Fall von der Teilnahme am Gottesdienst Gefahr für Leib und Leben ausgehen. Dann ginge nämlich die Wirkung einer an sich sehr wertvollen und stärkenden Feier nach hinten los. So hoffe ich, dass die Überlegungen zu öffentlichen Gottesdiensten nicht überhastet, sondern in Ruhe und Verantwortung für die Gläubigen geführt und umgesetzt werden. Es ist besser, noch ein paar Wochen darauf zu verzichten als eine weitere Verbreitung des Virus auf diese Weise zu ermöglichen.

Beten wir, dass die Verantwortlichen richtig und umsichtig entscheiden.

Euer

Christoph Jansen