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Durst (3. Fastensonntag 2002)

Datum:
3. März 2002
Von:
Heinz Büsching

"Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, Gott, nach dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott." – so beginnt einer der schönsten Psalmen des Alten Testamentes. Er stammt von einem Beter, der unter dem Spott seiner ungläubigen Nachbarn leidet. "Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, Gott, nach dir."

Gibt es solchen Durst auch heute noch? Haben wir solchen Durst? Haben Sie solchen Durst?

Verlangen nach Gott. Sehnsucht nach seiner Nähe. Heimweh nach ihm. Solcher Durst ist mehr als das neugierige Interesse an Schicksalsmächten. Solcher Durst ist mehr als ein Sich-Öffnen für kosmische Energien. Er ist mehr als der Glauben an ein höheres Wesen im Hinterkopf.

Solcher Durst will Begegnung, persönliche Begegnung, will Begegnung mit Gott, Begegnung, die erfüllt und neu beseligt. Gibt es solchen Durst auch heute noch? Haben Sie solchen Durst?

Manch einer mag denken, dass es mit seinem Durst nach Gott nicht so doll sei. Vielleicht denken auch Sie: ich habe andere Sorgen. Oder: wonach ich mich sehne, das sieht anders aus. Aber schauen wir nur geduldiger und genauer auf die Wünsche, die uns wirklich bewegen.

Die Frau, der Jesus am Brunnen begegnet, scheint nur die Männer im Kopf zu haben. Aber Jesus lässt sich davon nicht irritieren. Er deckt alsbald auf, dass hinter dem, was die Frau umtreibt, eine viel tiefere Sehnsucht steckt: die Sehnsucht nach Verstandenwerden; der Durst nach wirklicher Liebe; das Verlangen nach Heil. Die Begeisterung, mit der die Frau ins Dorf rennt und alle Leute zusammentrommelt, lässt erkennen, wie groß ihr Durst nach dem eigentlichen Leben gewesen sein muss, dass sie nun in Jesus spürt.

Wir begegnen in unserem Leben vielen Menschen. Meist nur oberflächlich. Aber manchmal auch innig und schön. Je besser unsere Begegnungen gelingen, desto klarer wird uns, dass unser Glück nicht in Geld und Erfolg liegt, sondern in der liebenden Begegnung.

Aber deutlicher wird dann auch die Erfahrung, dass unser Durst nach Begegnung und Erfüllung, nach Angenommen-Sein und Geliebtwerden das Irdisch-Mögliche überschreitet. Mindestens unser Verlangen hat göttliches Maß. Oft mag uns diese Dimension aufgehen an der Enttäuschung über das Ungenügen unserer menschlichen Begegnungen.

Und an den gelingenden Begegnungen kommen wir erst recht auf den Geschmack. Sie öffnen uns für die größere Welt; sie lassen unseren Durst nach göttlicher Weite und Tiefe erkennen, nach dem, der die Liebe in Person ist.

Im persönlichen Gebet begeben wir uns schon auf dieser Erde in die Nähe Gottes. Immer haben wir dabei die Hoffnung, dass Gottes Angesicht zu leuchten beginnt, oder im Bild des Evangeliums, dass seine lebendigen Wasser zu sprudeln beginnen.

Vielleicht ist dies das beste Gebet, nämlich die Worte zu lassen und einfach still zu werden.