Zum Inhalt springen

Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter (11. Sonntag im Jahreskreis 2020)

2020-06-11-Fronleichnam-22.jpg_696118261
Datum:
14. Juni 2020
Von:
Christoph Jansen

Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Was Jesus seinen Jüngern sagt, ist glasklar: Ich brauche euch, ganz dringend. Ich schaffe es nicht allein. Christus, der Sohn Gottes, sagt denen, die an ihn glauben: Ich schaffe es nicht alleine, ich brauche euch. Das bedeutet viel.

Zunächst einmal: Ich traue euch etwas zu! Ihr könnt unendlich viel bewegen. Ihr könnt Kranke heilen. Ihr könnt sogar Tote aufwecken. Ihr könnt Aussätzige rein machen – Ihr könnt euch den bösen Mächten entgegenstellen, und ihr seid stärker. Wenn ihr nur wollt. Stärker als die Bedenken, die ihr tragt, stärker als die Angst, die umgeht, stärker als die Befangenheit, die so viele lähmt.

Es heißt aber auch: Gott hat keine Hände, nur unsere. Er zwingt uns nicht, für ihn zu arbeiten, in seinem Weinberg, wie er sagt, sondern er wirbt um uns. Er kommt wie ein Jobhunter, wie jene Menschen, die von einer großen Firma oder einem großen Konzern ausgeschickt werden, um nach bestimmten Kriterien gute Mitarbeiter zu werben.

Aber was ist ein guter Mitarbeiter? Jesus ist bei der Auswahl seiner Mitarbeiter scheinbar planlos unterwegs. Eigentlich müsste er für seine Sache, von der er so überzeugt ist, dass er für sie sterben würde, Spitzenkräfte anwerben. Er müsste in die Hauptstadt gehen, nach Jerusalem, und die qualifiziertesten und intelligentesten Menschen der Stadt von seiner Sache überzeugen.

Und was macht er? Zuerst einmal geht er aufs Land, an den großen See und sucht Mitarbeiter unter den Fischern. Die kennen sich aus am See, mit Booten und Netzen, aber können sie überhaupt lesen und schreiben? Können sie mit Menschen umgehen? So heimatverwurzelt, wie Fischer nun einmal sind, stellt sich die Frage, ob sie überhaupt ihr Boot, ihren See und ihre Heimat verlassen werden, um in eine ungewisse Zukunft zu gehen. Gelten die Fischer am See nicht als sturköpfig, eigensinnig, wollen sie nicht am liebsten unter sich sein? Vor allem: Kranke heilen, Tote auferwecken, Hoffnung geben – können die das?

Die weitere Mitarbeiterauswahl Jesu ist dann auch aus rationaler Sicht wenig überzeugend. Matthäus ist Zöllner. Die sind überall unbeliebt, ziehen den Menschen das Geld aus der Tasche, arbeiten mit der verhassten Besatzungsmacht zusammen. Immerhin, rechnen und schreiben können sie.

Simon Kanaanäus ist Zelot Widerstandskämpfer gegen die Römer. Der steht mit einem Bein im Knast. Und wie soll der mit dem Zöllner jemals vernünftig zusammenarbeiten?

Und Judas Iskariot, der Verräter? Ist er nicht endgültig der Beweis, dass Jesus sich die Falschen in sein Team beruft?

Alle, so verschieden sie sind, bekommen dieselbe Aufgabe, das Evangelium zu den Menschen zu bringen und Menschen damit froh zu machen, Hoffnung weiter zu schenken, Mut zu machen, Angst zu vertreiben. Jesus sagt mit der Berufung der Apostel zu uns: Seht mal, wen ich gefragt habe! Das sind keine Übermenschen. Das sind einfache Leute. Was die können, das könnt ihr auch. Er sagt das mit dem schönen Wort: Mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.

Die Apostel sind grundverschieden voneinander, und bestimmt haben sie oft miteinander gestritten. Wer von ihnen der Größte ist, das ist nur eines der Streitthemen, das zufällig überliefert ist. Aber ist diese bunte Mischung verschiedenster Charaktere nicht die beste Voraussetzung für eine Verbreitung der frohen Botschaft, zunächst unter den Juden, später dann in der ganzen Welt?

In einer Zeit der Milieustudien würden wir heute sagen: Jesus geht durch alle Milieus seiner Zeit, hat Freunde bei den Ärmsten und bei den Reichsten, bei den Einfachen und bei den Gebildeten, bei Jung und Alt. So verbreitet sich seine frohe Botschaft, sie heilt, schenkt Freude und Hoffnung, besiegt die Angst und den Tod. Jeder von uns kann Apostelin oder Apostel sein, nicht nur wenige. Die Ernte ist groß. Jesus ruft uns alle.

Noch einmal: Was ist mit Judas? Hat Jesus sich mit ihm nicht doch vertan, als er ihn berufen hat? Nein, das hat er nicht. Denn auch, wenn wir uns von ihm in Dienst nehmen lassen, nimmt er uns nicht unsere Freiheit. Wir sind frei in der Art, wie wir das Wort Gottes in die Welt tragen, und wir sind auch frei, uns zu verändern und schließlich eine Entscheidung gegen Christus, gegen seine Botschaft zu fällen. Die Entscheidung gegen Christus, gegen sein Gewissen hat Judas in den Selbstmord getrieben. Bei Christus wartet das Leben, ohne ihn hat der Tod das letzte Wort.

Jesus braucht uns. Er braucht keine langen und komplizierten Bewerbungsschreiben. Als Jobhunter hat er andere Kriterien bei der Auswahl seiner Mitarbeiter als die meisten. Er sieht unser Herz, unsere Seele. Und er sagt zu jedem von uns, schon in der Taufe: Folge mir nach. Es gibt viel zu tun. Du kannst das. Das sehe ich. Es ist alles in dir drin. In deinem Herzen. In deiner Seele. Du musst nur Ja sagen. Und aufbrechen. Und wenn du nicht weiterweißt, bin ich da. Immer, bis zum Ende der Welt.

Amen.