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Der Tod hat nicht das letzte Wort (Katfreitag 2006)

Datum:
14. Apr. 2006
Von:
Christoph Jansen

Ein Mensch stirbt. Der Sterbende wird den Menschen gezeigt. Seht, der Mensch. Ein Häufchen Elend. Kein König. Kein Messias. Ein Mensch.

Sterben ist die größte Zumutung, die das Leben kennt. Keiner entgeht dem. Auch der Mensch gewordene Gottessohn nicht. Er nimmt uns in unserer ganzen Existenz ernst. In unseren Todesängsten, unserer Trauer, unserer Endlichkeit. Deshalb ist dieser Tag, ist diese Stunde so wichtig.

Wir neigen im Rheinland dazu, alles durch die rosarote Brille zu sehen. Am Ende ist Ostern, da wird alles gut. Et hät noch immer jot jejange. Dem widerspricht dieser Tag. Es geht nichts gut. Den Kreuzweg geht Jesus ganz allein. Am Kreuz stirbt er ganz allein. Selbst die Nähe Gottes spürt er nicht mehr. Mein Gott, warum… Mein Gott, warum? Wenn Jesus diesen Satz nie gesagt hätte, wie viele Menschen hätten dann längst ihren Glauben verloren?

Die Mutter, deren 18jähriger Sohn abends nicht nach Hause kommt, weil er im Auto tödlich verunglückt ist. Der noch viel zu junge Mann, der sich aufgibt, weil der Krebs in ihm übermächtig wird. Das Mädchen aus Much, das unsere Gesamtschule bis vor wenigen Wochen besucht hat und im Straßenverkehr umgekommen ist. Mein Gott, warum? Erst durch dieses Warum kann ich glauben an einen Gott, der mich ernst nimmt, an einen Gott, der menschlich fühlt, der leidet mit uns, der fühlt wie wir.  

Karfreitag 2005. Papst Johannes Paul II. verfolgt aus seiner Privatkapelle den Kreuzweg durch das Kolosseum. Im letzten Jahr dachte ich noch: Was soll das? Der Mann ist krank. Hat er nicht das Recht, sich, so krank wie er ist, wie jeder andere Kranke auch, ins Bett zu legen – ohne Öffentlichkeit, ohne Kameras? Heute glaube ich, er hat sich Kraft geholt durch diesen Kreuzweg, den er in Gedanken Station für Station mitgegangen ist. Kraft für seinen ganz persönlichen Kreuzweg, den die Welt nur wenige Tage später bewundert und beachtet hat wie kaum ein anderes Geschehen. Nicht mein Wille geschehe, sondern der Deine.

Jesus stirbt mit den Worten: Vater in deine Hände befehle ich meinen Geist. Er ist tot, ein für alle Mal. Erst wenn wir das begreifen, können wir in der Osternacht Auferstehung feiern. Das müssen wir zulassen, dass Jesus stirbt, wirklich tot ist, dass er unser Schicksal teilt, ganz und gar.

Der Tod ist allgegenwärtig, auch in unseren Zeiten. Wir können ihn eine Zeit lang verdrängen, einfach nicht dran denken. Irgendwann holt er uns ein. Und er ist stark. Stark wie der Tod ist die Liebe, heißt es im Hohelied im Alten Testament. So stark, dass der Sohn Gottes ihm nicht entgehen kann. Niemand kann das.

Aber der Tod hat nicht das letzte Wort. So stark, so unbarmherzig und so sicher der Tod auch ist, er ist nicht das Ende von allem. Wir versinken nicht in der Sinnlosigkeit und Verzweiflung des Vergessens. Wenn wir einen Platz im großen Herzen Gottes haben, dann bleiben wir. Nicht als Phantasien eines alten Mannes mit Bart, der auf einer Wolke sitzt, sondern als das, als was wir geschaffen sind, Geschöpfe sind: als wunderbare Gedanken Gottes, denen er freien Lauf lässt, wenn er uns die Freiheit schenkt, in der wir leben. Und diese wunderbaren Gedanken Gottes sind keine Hirngespinste, sondern sie sind so real wie die ganze Schöpfung, Erde und Menschen.

Und wenn wir Gottes Gedanken sind, die er nie im Leben vergisst, die er über alles liebt, denen auch unser Tod nichts anhaben kann, dann wünscht sich Gott nichts sehnlicher als dass er auch unser erster und wunderbarster Gedanke ist.  

Und um diesen Gedanken leben zu lassen, nimmt er beim Mahl das Brot und gibt es den Jüngern mit den Worten: Das ist mein Leib. Das bin ich. Und den Wein: Das ist mein Blut. Tut dies zu meinem Gedächtnis.

Und wenn Jesus in diesem Brot ist, wird er ein Teil von mir, der ich dieses Brot esse. Zu seinem Gedächtnis. Verbunden mit einer Bitte und einer Zusage. Vergiss mich nicht, dann werde ich leben. Auch ich vergesse dich nicht. Dann wirst du leben. Dann hat der Tod nicht das letzte Wort. Nicht bei mir- und nicht bei dir. Denn Du warst schon ein wunderbarer Gedanke Gottes, bevor du geboren wurdest. Und du wirst es immer sein.

Amen.