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Der Hahn (Palmsonntag 2002)

Datum:
24. März 2002
Von:
Heinz Büsching

Ich habe hier einen wunderschönen Hahn. Den habe ich vor einigen Jahren von einem Erstkommunionkind geschenkt bekommen. Ich möchte ihn symbolisch an Sie weiterreichen. Ich möchte Ihnen den Hahn mit in die Karwoche geben.

Ich fürchte allerdings, dass diese Gabe eher lästig ist. Denn der Hahn ist ein Störenfried. Schon in der guten alten Zeit hat er die Menschen aus dem Schlaf gerissen. Doch von solchen Hähnen droht kaum noch Gefahr. Es gibt kaum noch Bauernhöfe mit freilaufendem Federvieh. Und gegen die letzten Hähne gab es Gerichtsprozesse; der Hahnenschrei am Morgen sei eine unzumutbare Störung. So wurden die lebendigen Hähne bis auf wenige Ausnahmen abgeschafft.

Nur der Hahn auf dem Kirchturm ist geblieben. Aber der ist auch ein Störenfried. Auch der Hahn auf dem Kirchturm will wach machen. Und eigentlich ist er noch viel gefährlicher als der Hahn auf dem Bauernhof. Der Hahn auf dem Bauernhof kräht in die Ohren. Der Hahn auf dem Kirchturm kräht ins Gewissen; natürlich nur, wenn sich unser Gewissen noch erreichen lässt.

Der Hahn, dieser, und der Hahn auf dem Kirchturm, steht für den Hahn des Petrus. Das ist der Hahn, der dem Petrus am Feuer mächtig ins Gewissen gekräht hat. Petrus hatte ja so getan, als würde er Jesus nicht kennen. „Ich kenne diesen Menschen nicht“, hatte er gesagt. Da krähte der Hahn, und Petrus musste weinen. Immerhin, sein Gewissen funktioniert noch.

Mein Hahn versucht jetzt mal, das Gewissen schon vorher zu erreichen. Er fragt: Was machen Sie am Karfreitag? Karfreitag ist der Todestag des liebsten Menschen, den es je gab. Kennen Sie diesen Menschen? Kennen Sie ihn auch am Karfreitag?

Da Jesus für alle Menschen gelitten hat, denken wir an Karfreitag auch mal an all die Menschen, die heute gequält, gefoltert, umgebracht werden; an alle Menschen, die unter ungerechter Gewalt leiden. Heute. Jetzt.

Viele Leute wollen vom Leid der andern nichts wissen. Sie wollen Spaß haben; auch am Karfreitag. Wenn ich Sie jetzt ganz herzlich zum Karfreitagsgottesdienst einlade, dann drehen Sie bitte meinem Hahn nicht den Hals um. Der innere Hahn kräht sowieso weiter. Und vor dem Gericht des Herzens ist auch mit falschen Aussagen nichts zu erreichen. Vor dem Gericht des Herzens siegt immer nur die Liebe.

Der Karfreitag hat etwas mit Liebe zu tun, Liebe zu Gott und Liebe zum Menschen.

Ich schiebe ein schüchternes Kikeriki nach: Was machen Sie aus Ihrer Karwoche? Mehr Stille. Weniger Fernsehen. Der Blick in die Bibel. Gebet. Kikeriki. Was machen Sie aus Ihrer Karwoche?