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Der Esel ist also ein wahrer Christusträger (Palmsonntag Vorabendmesse 2020)

2020-04-04_Corona-Predigt
Datum:
4. Apr. 2020
Von:
Christoph Jansen

Liebe Freunde,

eben war ich in der Kirche und mich an der schönen Dekoration erfreut habe, die schon für Palmsonntag vorbereitet ist. Aber mir fehlte noch der Eyecatcher, das Element, das nicht immer da ist und deshalb allen auffällt. Da ist mir der Esel eingefallen, der im Keller auf seinen Auftritt in der Weihnachtskrippe wartet, und ich habe ihn zum Kreuz, zu Jesus gestellt. Schließlich war es ein Esel, mit dem Jesus nach Jerusalem eingezogen ist, damals am allerersten Palmsonntag.

Der Esel ist ein Tier mit hoher Symbolik, die heute nicht mehr allen zugänglich ist. Während "Esel" heute eher ein Schimpfwort ist - er gilt als stur und dumme Taten nennt man schon einmal Eselei -, war er zurzeit Jesu ein ganz besonderes Tier. Und es gab auch viel mehr Esel als heute. Das hatte seinen Grund.

Esel können riesige Lasten tragen. Obwohl sie viel kleiner sind als die meisten Pferde, sind Esel außerordentlich stark und ausdauernd. Der Esel opfert sich auf, um den Menschen zu dienen. Für viele Menschen war der Esel ein unersetzliches Transporttier. Während das Pferd von den Mächtigen gerne in Kriegen und Schlachten verwendet wurde, war der Esel für solche Einsätze unbrauchbar. Erstens ist er langsamer und zweitens vorsichtiger, was von einigen Menschen als Sturheit missverstanden wird. Der Esel gilt deshalb als friedfertig und sanftmütig.

Dass Jesus auf einem Esel nach Jerusalem eingezogen ist, muss für viele Menschen am Straßenrand irritierend gewesen sein. Dennoch breiteten sie ihre Kleider aus und jubelten ihm mit Palmwedeln und Ölzweigen zu. Für manche war der Esel wohl ein Schönheitsfehler, denn der neue König gehört auf ein prächtiges Pferd oder in eine prächtige mehrspännige Kutsche und nicht auf ein einfaches Lasttier.

Aber der Ritt auf dem Esel war Programm. Das Adventslied "Macht hoch die Tür" erwähnt den Esel indirekt, indem es in der vierten Strophe heißt: "Sanftmütigkeit ist sein Gefährt". Christus, unser wahrer König, erobert die Menschen und die Welt nicht mit Macht und Gewalt, sondern mit Sanftmut, Geduld und großer Stärke, wenn es darum geht, Menschen zu helfen und ihnen zu dienen. Am Ende opfert er sich selbst, um die Menschen zu erlösen - aber selbst das großartige Zeichen des Gekreuzigten wurde schon von den Zeitgenossen seiner Apostel unverhohlen als Eselei angesehen, wie römische Graffitis beweisen.

Vielleicht ist mir der Esel - in der Krippe und jetzt auch am Palmsonntag - so sympathisch, weil er den Herrn der ganzen Welt tragen darf, Christus, der alles zum Guten verändern möchte und dafür die Herzen der Menschen erobern möchte. Der Esel ist also ein wahrer Christusträger, ein Christophorus. Und so einer möchte ich auch gerne sein.

Ihr und euer

Christoph Jansen